„Alter, Namen, Alter. Vergiss es, Alter!“ Wenn die letzte Kerze auf dem Geburtstagskuchen zum 12. verloschen ist, dann nennen viele Heranwachsende einander einfach nur noch „Alter“. Was ältere Menschen für einen Ausdruck der Faulheit halten, verlangt bei genauer Betrachtung dem Einzelnen enorme intellektuelle Leistungen ab.

Alter-n ist nichts für Anfänger

Doch betrachten wir zunächst die Verwendung des Peseudonyms „Alter“. Der oben zitierte Satz, den ich in der Straßenbahn in Brandenburg aufgeschnappt habe, zeigt die unterschiedlichen Funktionen von „Alter“: Das erste „Alter“ ist die Anrede an den Adressaten. Wer gewöhnlich „Alter“ genannt wird, fühlt sich nun angesprochen. In einer Peer Group von 13-Jährigen sind das alle.

Sie sehen schon: „Alter“n ist nichts für Anfänger. Das zweite „Alter“, füllt eine Denkpause. Wo unsereins sonst „Ähm“ sagen würde, „Alter“t der Halbwüchsige. Das dritte und letzte „Alter“ ist eine Solidaritätsfloskel. Der Sprecher sucht damit nach Bestätigung in der Peer Group. Faustregel: Egal, ob ein Satz mit „Alter“ beginnt, er muss auf jeden Fall mit „Alter“ enden.

Jugendliche wissen, wann mit Alter jemand angesprochen ist

Bemerkenswert: Jugendliche halten „Alter“ in all diesen Funktionen spielend auseinander. Sie scheinen zu wissen, wann jemand mit „Alter“ angesprochen wird und wann das Wort nur gedankliche Lücken füllt. Sie wissen darüber hinaus, wer mit „Alter“ angesprochen ist. Denn wie wir schon gelernt haben, hören ja gewöhnlich alle Anwesenden auf den Namen „Alter“. Jugendliche wissen jedoch sicher, wer sich angesprochen fühlen muss.

Alter setzt sich über Geschlechtergrenzen hinweg

Dabei erschweren sie sich die Sache noch dadurch, dass sie „Alter“ geschlechtsneutral verwenden. Die Anrede „Alte“ für eine 13-Jährige findet zumindest in Straßenbahnen in Berlin-Brandenburg keine Verwendung. Lauscht man Unterhaltungen unter Jugendlichen in öffentlichen Verkehrsmitteln, dann fällt das Wort „Alter“ im gemittelten Abstand von drei Sekunden – selbst wenn die Gruppe nur aus Mädchen besteht.

Eltern und Lehrer bewahren den Vornamen

Natürlich verwenden Jugendliche auch Vornamen. Nämlich für alle, die nicht anwesend sind. Beispiel: „Alter, haste Paul heut schon jesehn?“ Dass ein Jugendlicher mit einem Namen wie Paul ein Gesicht verbinden kann, verdankt er Eltern und Lehrern, die ihre Schutzbefohlenen stur beim Namen nennen. Ihnen verdanken Jungendliche, dass sie ihre Vornamen nicht vergessen. Denn irgendwann steht der Jugendliche Institutionen gegenüber, die seinen Namen brauchen: „So, Sie wollen Hartz IV beantragen? Name?“ „Öh,Alter?!“