Der Exit vom Brexit im Treppenhaus

Nehmen wir an, Sie und ich leben in einer großen Wohngemeinschaft. Jeder trägt sein Teil zu Miete und Nebenkosten bei, bei Abwasch, Einkauf und Treppeputzen wechselt man sich ab. Jetzt gibt es einen Mitbewohner, der bei jeder Gemeinschaftsentscheidung die Hand hebt und Veto einlegt, nennen wir ihn David. Ihm gefällt der Läufer im Flur nicht. Er sieht nicht ein, dass er sich in gleichem Umfang wie andere an der neuen Waschmaschine beteiligen soll, schließlich wechselt er seine Kleidung nicht so oft wie die Mitbewohnerin Angela und muss daher nicht so oft waschen. Wenn die WG gemeinsam speist, wiegt er jeden Bissen ab, den einer am Tisch verzehrt. Er sieht nicht ein, dass er denselben Anteil für die Mahlzeit zahlen soll, wo doch der Mitbewohner Alexis viel hungriger ist.

David kommt mit seinen Extratouren immer wieder durch. Er zählt zu den vermögendsten Bewohnern und hat als findiger Finanzberater das Ersparte der Mitbewohner durchaus gewinnbringend angelegt. Wenn es den anderen einmal zu viel wird, dann droht David. Immer wieder lässt er dann die Zeitungsseite mit den Wohnungsannoncen auf dem Esstisch liegen. Doch das Wohnen allein teurer. David wird sich also keine Wohnung in ähnlich guter Lage leisten können. Die Ausgaben für den Haushalt werden ebenfalls steigen. Da David gut rechnen kann, glaubt daher niemand, dass er tatsächlich ausziehen wird.

Als David dann plötzlich doch die Koffer packt, ist die Überraschung groß. Die einen trauern. Wenn David geht, steigt der Mietbeitrag für die übrigen Mitbewohner. Die anderen freuen sich. David hat einen schlechten Einfluss auf die WG. Schon beginnen auch andere Mitbewwohner, Essen abzuwiegen und Waschmittelfüllungen zu zählen.  Sie sind erleichtert als David die Tür öffnet. Er setzt einen Fuß hinaus und … zieht ihn zurück. Denn draußen regnet es und das Treppenhaus ist nicht geheizt. Er schließt die Tür, steuert sein altes Zimmer an und sagt: „Natürlich ziehe ich aus. Aber nicht gleich. Erst, wenn es draußen wärmer ist. Vielleicht.“ Außerdem, so erklärt er, müsse sich die WG auch an der Miete seiner neuen Wohnung beteiligen. Und überhaupt: Am gemeinsamen Einkaufen will er weiter teilnehmen, und natürlich will er die Waschmaschine weiter mit benutzen. Er sei schließlich viel zu wichtig, um ihn gehen zu lassen – zu wichtig für die anderen Mitbewohner. Für ihn selbst sei das ja alles kein Problem …

Kategorien: Politik und Gesellschaft

2 Kommentare

  1. Schönes Beispiel. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht zufällig sondern voll beabsichtigt! 😉

  2. Wolff von Rechenberg

    9. Juli 2016 — 16:55

    Beabsichtigt!? Dem muss ich entschieden widersprechen. 😀

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