Analog Basics: Linn

Linn LP12 Sondek

Linn ist nicht der älteste Plattenspielerhersteller der Welt und war auch nie der größte. Dennoch muss unser kleiner Überblick über namhafte Plattenspielerhersteller mit Linn beginnen, weil kein HiFi-Hersteller die Szene so verändert hat wie die Firma des Schotten Ivor Tiefenbrun. Es ist keineswegs übertrieben zu sagen: Ivor Tiefenbrun war der Steve Jobs der HiFi-Szene. Und das, obwohl seine meistbetrachteten Körperteile die Füße waren.

Mit einem Paar lässig übereinander geschlagener nackter Füße warb Linn ab Ende der 1980er Jahre auf ganzseitigen Anzeigen in britischen HiFi-Magazinen. Überschrift: „Two of the most reliable HiFi-chritics in the world!“ Die Legende berichtet jedenfalls, dass die abgebildeten zuverlässigsten HiFi-Kritiker dem Linn-Boss persönlich gehörten.

Man muss sich das vorstellen: Alle Welt maß Wattzahlen, elektronische Widerstände, Gleichlaufschwankungen und Frequenzgänge. His royal Ivorness aber predigte: „Alles Quatsch! Bei HiFi geht es doch um Musik, das muss Spaß machen.“ Die Kampagne schlug ein. Schon bald las man selbst in nüchternen deutschen HiFi-Tests nur noch wippenden Füßen und Knien. Innert eines Jahres verwandelten sich die trockenen Messtechniker, die jeden Verstärker abkanzelten, wenn in der achzehnten Stelle nach dem Komma von der Norm abwich, pläötzlich wandelten sich alle diese trockenen Musikwidergabewissenschaftler in musikbegeisterte Gaudiburschen.

Linns und Tiefenbruns Ruhm ruhte auf dem Plattenspieler LP-12 Sondek. Dieser beruhte seinerseits auf dem Thorens TD150, den der badische Traditionsbetrieb insgesamt um die 40 Jahre fast unverändert produziert hat. Der Thorens galt als unverwüstlich, wertig, wohlklingend, darüber hinaus aber auch nicht weiter ambitioniert. Tiefenbrun nahm das simple Laufwerk mit dem leichten Pressblech-Subchassis, das an drei Federn hing. Tiefenbrun verpasste dem Laufwerk selektierte Federn. Die bewirkten, dass das Subschassis exakt kolbenförmig schwang. Es waren die Taumelbewegungen, die den guten Klang behinderten. Ständig veränderte sich dadurch der Abstand zwischen Motor und Teller, das machte den Klang der Musikmaschine unpräzise.

Der Austausch der Federn durch exakt aufeinander abgestimmte Exemplare machte deutlich, wie viel Potelzial im Thorens steckte. Nachteil: Die Abstimmung musste regelmäßig überprüft und gegebenenfalls nachjustiert werden. Das trug dem Sondek den Ruf des Divenhaften ein. Dabei lag das nur an den Unterlegscheiben unter den Federn. Zu Beginn der 1990er Jahre wechselte Linn die Hartplastikscheiben durch weichere Exemplare und der LP-12 blieb fortan über Jahre stimmstabil.
Danach wechselte Tiefenbrun auch Motorwelle, Innen- und Außenteller durch handselektierte Präzisionsteile. Als Motor entschied er sich für den Airpax-Synchronmotor den Philips in Belgien fertigte.

Als das Laufwerk 1972 fertig war, begann ein neues Kapitel der HiFi-Geschichte. Linn-Händler in aller Welt führten den Linn gegen die massigen Plattenspielerburgen von Zarathustra, Transrotor und anderen. Der Linn ließ die Kontrabässe im letzten Satz von Prokofiews Symphonie Classique tanzen, wo Transrotor & Co. wie ein Brontosaurus im Morast klangen. Damit nicht genug, behauptete Tiefenbrun, dass die Klangquelle, damals der Plattenspieler über die Qualität der Anlage entschied, nicht die Boxen, die sich damals meterhoch in den Zimmern der HiFi-Freaks auftürmten. Tiefenbrun prägte den Begriff „Gigo“, „Garbage in garbage out“ – Müllrein, Müll raus.

Im Kielwasser des Laufwerksrebellen bildete sich ein kleiner Geleitzug, der in allen Gerätesparten den Begriff von High Fidelity veränderte. So griffen die ersten Linnianer mit Vorliebe auf den einpunktgelagerten Naim Aro als Tonarm zurück. Höllisch fuddelig einzustellen, aber klanglich eine Ehe, die der Himmel geschlossen zu haben schien. Erst die Linn-eigenen Tonarme Akito und Ekos verdrängten den Aro in den 90er Jahren vom Sondek. Doch Naim stellte auch den Verstärkerpartner für den Linn her, den Naim Nait. Ein kleines Schächtelchen mit nur einer Handvoll Watt pro Kanal?

Auch hier noch einmal der Hinweis: Bis dato maß man die Qualität eines Verstärkers in Leistung pro D-Mark. Als hochwertig galten kiloschwere Verstärkermonster von Luxman, Marantz, Accuphase oder Restek, bepflastert mit Klangreglern und Equalizern. Doch kein Verstärker gab seine Leistung so flink an die Lautsprecher ab, keiner klang so quicklebendig wie der Leistungszwerg Nait. Und Naim brauchte keine Klangregler: Garbage in garbage out. Um die Mitte der 1990er Jahre begann Linn, selbst Lautsprecher und Verstärker herzustellen. Das Flaggschiff blieb aber die Legende, der Sondek.

Und die Probleme begannen: Es gelang Linn nicht, seinen Kultstatus im digitalen Zeitalter zu bewahren. Hinzu kam der Trend zu Surround und Mehrkanalwiedergabe. Linn versuchte, ganz vorne mit dabei zu sein. PLötzlich kamen schick gestylte Heimkino-Geräte auf den Markt. Das ging jedoch nicht mit den traditionellen Linnhändlern. Der klassische Linnhändler war ein Missionar, einer, der jedem vorführen wollte, dass Schallplatte ja klanglich viel besser war als CD. Ob der Betreffende das nun wissen wollte oder nicht. Der klassische Linnhändler demonstrierte jedem, der es nicht wissen wollte, dass schon ein gedankenlos liegengelassenes Funktelefon den Klang im Raum zustören vermochte.

Diese Händler sollten nun Heimkinokomponenten verkaufen? Ivor Tiefenbrun wusste, dass das nicht funktionieren würde, und plötzlich standen Linn-Geräte in jedem Elektronikmarkt. Die altgedienten Linnianer flohen von der Fahne, das Image der Marke war ruiniert, Linn sank in die Bedeutungslosigkeit, wurde zu einem von vielen HiFi-Anbietern im gehobenen Preissegment.

Kategorien: HiFi

6 Kommentare

  1. Naim – ich dachte, das wären diese knusprigen Schokobonbons aus Schweden???

  2. Wat sollick denn dazu jetze sagn? Du solltest mal auf die Packung kieken, wennde was isst. Sonst beißt du versehentlich mal in son Verstärker.

  3. bin seit jahrzehnten fan von englischem hifi.habe kürzlich einen cambrigde p110 für 70euro gekauft.baujahr 1974,klingt super.nach etwas tuning,neue elkos und potis.meine kef cresda von 1969 mit chardwellweiche klingt wie eine eins an meinem neuen liebling.

  4. Wolff von Rechenberg

    26. September 2012 — 11:23

    @malle: Die guten alten Cambridge-Geräte sind ein Geheimtipp. Sie waren in Deutschland nie so bekannt wie NAD oder Rotel, spielen aber absolut in der gleichen Liga. Weil sie hierzulande nie so bekannt geworden sind, bekommt man sie gebraucht oft zu günstigen Preisen.

  5. Den letzten Absatz kann ich nicht so ganz nachvollziehen: Linn-Geräte hab ich noch nie in nem Blödmarkt gesehen und die heutigen Netzwerkplayer haben einen Ruf, der nicht gerade auf ein ruiniertes Image schließen lässt.

  6. Wolff von Rechenberg

    10. Mai 2014 — 11:14

    Hallo Frank,
    ich vergaß, zu erwähnen, dass der Bruch vor allem in Großbritannien stattfand. Dort waren die Händler fast über Nacht mit der neuen Firmenpolitik konfrontiert. Dass Rega plötzlich begann, hochpreisige Plattenspieler oberhalb des Planar 3 herzustellen, wurde seinerzeit als direkte Folge gewertet. Die britischen Händler verkauften ohnehin in der Regel noch Naim oder Creek, aber die Lücke des LP12 in den Regalen ließ sich anfangs nur schwer füllen. Sein Image bei der puristischen Stammkundschaft hat Linn damals allein durch diesen Wechsel in der Geschäftspolitik ramponiert. Linn war schließlich ein Flaggschiff des HiFi-Purismus. Die technische Qualität der neuen Multimediageräte spielt da eine untergeordnete Rolle. In der Stammkundschaft von Linn löste schon der erste CD-Player im Sortiment erheblichen Argwohn aus.

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