Aus Westen kommend erreicht man Berlin mit der Bahn für gewöhnlich mehr oder weniger pünktlich. Merkwürdigerweise gelingt das nie umgekehrt. Wer nachmittags die Rückreise nach Brandenburg, Potsdam, Werder, Nauen oder Rathenow antritt, braucht sich eigentlich nicht nach den planmäßigen Abfahrtszeiten zu richten, Verspätungen zwischen 15 und 35 Minuten kommen regelmäßig vor. Die Begründungen, die der genervte Reisende dann im Zug zu hören bekommt, hören sich an wie ein Gruselkabinett. Man ahnt, was auf der langen Reise von Frankfurt (Oder) bis Berlin alles passieren kann. Einige Beispiele:
- Signalstörung bei Erkner,
- Vandalismus bei Fürstenwalde,
- Fahrzeugausfall,
- Streckensperrung und natürlich
- Störungen im Betriebsablauf.
Wie zahm, wie weich hört sich die Erklärung an, wenn der Zug mal von Westen kommend Verspätung sammelt: „Meine Damen und Herren, unser Zug fährt mit drei Minuten Verspätung in Berlin-Hauptbahnhof ein. Der Grund: Kein freies Gleis in Berlin-Zoologischer Garten.“ Welch ein dekadentes Luxusproblem: Überfluss an Zügen, und dabei liegen Brandenburg, Werder und Potsdam nicht einmal in dem, was früher mal der Westen war.
Hinter Berlin aber wird der Osten wild, so scheint es. Und es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, dass Wegelagerer die Gleise mit Baumstämmen blockiert haben (Streckensperrung), um den Zug zu überfallen. Das Schienennetz östlich von Berlin scheint äußerste Anforderungen an Mensch und Material zu stellen (Fahrzeugausfall). In den unendlichen Weiten der brandenburger Prärie kommt bestimmt nur einmal im Jahr ein Bahnarbeiter vorbei, um die Anlagen in Schuss zu halten (Signalstörung).
Von Störungen im Betriebsablauf soll die Bahn angeblich immer dann sprechen, wenn ein Mensch auf dem Gleis den Freitod gesucht hat. Ich weiß nicht, ob es stimmt. Wenn ja, dann ist der Lebensüberdruss östlich von Berlin noch größer als die Arbeitslosigkeit vermuten lässt.
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