Phaenomene des Alltags: Maurice und Mandy sind doof

Sie telefoniert im Zug. Leise spricht sie ins Telefon, aber nicht leise genug. Beim Sprechen resonieren ihre Stirnhöhlen und bilden einen durchdringenden Dauerton. Ein Logopäde würde „offenes Näseln“ diagnostizieren. Aber wenn man einen Logopäden braucht, ist ja nie einer da.

Sie will sich zum Kochen verabreden. Franka und Wencke haben schon zugesagt. Und die Person am anderen Ende wohl auch, muss aber abends noch nach Hause, weil Tobias das Auto braucht. Eine halbe Stunde lang durchlebt das gesamte Großraumabteil mit ihr eine Umbruchituation. Sie muss ihre Wohnung noch sauber machen und ist kürzlich umgezogen. Ach ja, und irgendwer ist zur Kieler Woche gefahren. Ob er dort mitsegelt, erfahren wir nicht.

Sie steigt natürlich in Potsdam aus. Natürlich. Im Lande Brandenburg kommen Menschen namens Franka oder Wencke nur in Potsdam in so großer Zahl vor, dass man sie zufällig treffen kann. Wesentlich häufiger hört man Namen wie Jaqueline, Chantal, Justin, Kevin oder Jason.

Viele Ossis glauben, das seien Ossi-Namen, aber das stimmt nur noch teilweise. Beim Klang dieser Namen fällt im Kopf heute ein ganz anderes Fallbeil, ein gesamtdeutsches. Mandy und Justin wohnen in den ärmeren Vierteln aller Städte dieser Republik. Wencke und Franka sind in irgendeinem hübschen, sauberen Ort im Speckgürtel einer Großstadt. Einem Pendlerparadies mit Ökoladen und Waldorfschule.

Namen signalisieren die Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Schichten. Und sie entscheiden über gesellschaftliche Chancen. Angela Merkel kann Kanzlerin, Mandy Merkel könnte es nicht. Schuld daran sind die Lehrer, ergab jetzt eine Studie. Böse Menschen, die böswillig Kinder sortieren: Wencke ins Töpfchen, Mandy ins Kröpfchen.

Mandy traut man einen gesellschaftlichen Aufstieg an den Frisierstuhl oder die Supermarktkasse zu. Mehr nicht. Wencke bekommt das Abitur praktisch schon zur Einschulung, und den Studienplatz, und die Trainee-Stelle, und, und, und. Das Kind ist aber auch begabt! Zu höherem geboren! Kein Wunder bei den Eltern! Das sagt ja schon der Name.

Aber was kann aus Mandy werden? Gebt den Kindern doch Lehrstellen. Lehrstellen, keine Studienplätze. Denn eines ist bei aller Anteilnahme doch sicher: Maurice und Mandy sind doof. Da können sie so schlau sein, wie sie wollen.

Kategorien: Phaenomene des Alltags

2 Kommentare

  1. Aber alle Kevins, die ich kenne, sind doof. Wer seinem Kind den Namen eines Filmjungen gibt, dessen Streifen zwar lustig ist, aber an Anspruch mangelt und dann erwartet, dass das Ungeborene genauso pfiffig und ausgeschlafen wird, der hat meineserachtens eine komische Denkweise, um es mal vorsichtig auszudrücken. Dies kann (muss natürlich nicht) sich bei der Erziehung negativ auswirken. Laut einer anderen Studie sollten, wenn es möglich wäre, auch viele Rambos und Rockys auf der Straße rumlaufen.

  2. Das mag ja alles sein. Aber wenn wir Kevin keine Chance geben, dann bleibt Kevin auch in der dritten Generation noch doof. Das gilt natürlich auch für Rocky, Rambo und meinetwegen sogar für Britney.

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