Microsoft will beträchtliche Teile seiner Software Produkte offenlegen. Von einer Strategiewende spricht der Konzern selbst. Man wolle in Zukunft offene Standards akzeptieren und stärker auf die Bedürfnisse der Anwender Rücksicht nehmen. Die Ankündigung hat das Zeug zur Sensation, wenn es nicht bei der Ankündigung bleibt, meint unter anderem die Europäische Kommission. In Brüssel erinnert man sich an vier ähnlich lautende Ankündigungen der Redmonder, ohne dass den Worten taten gefolgt waren. Nüchtern nimmt es auch die Konkurrenz auf. Donatus Schmidt von Sun Microsystems Deutschland sagte der ORF-Futurezone, bisher sei nicht mehr offen gelegt als die EU-Kommission gefordert hätte.

Noch kritischer sollte die Open-Source-Bewegung die neue Offenheit im Hause Microsoft betrachten. Noch zum Jahreswechsel hatte Microsoft-Boss Steve Balmer gegen Linux gewettert. Das freie Betriebssystem verletze Hunderte von Microsoft-Patenten. Linux-Anwender mussten fürchten, in Handschellen abgeführt zu werden, wenn Balmers Büttel herausbekommen, dass der Pinguin auf dem heimischen PC Quartier bezogen hat.

Bisher war Microsoft nicht in der Lage, auch nur ein einziges Windows-Patent zu nennen, das von Linux verletzt wird. Das könnte sich nun ändern. Interoperabilität ist eine feine Sache. Wer aber vergisst, dass durch die 32.000 oder gar 60.000 Seiten Domumentation, die Microsoft ins Netz stellen will, aus Windows noch kein Open Windows wird. Wenn die Linux-Community nicht mächtig aufpasst, dann könnte sich die Charme-Offensive von Microsoft als vergiftet herausstellen. Dann wird im nächsten Jahr Balmer seinen Hasstiraden ein paar konkrete Patentverletzungen hinzufügen können.

„Erfahrungen muss man sammeln wie Pilze. Stück für Stück und mit dem Gefühl, dass sie nicht ganz geheuer sind.“ (John F. Kennedy)