Kategorie: Medien

Favoriten

„Kein Team ist so stark wie wir“, soll Marcello Lippi im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft 2008 über die italienische Fußballnationalmannschaft gesagt haben. Als Trainer ist er mit dem italienischen Team 2006 Weltmeister geworden. Mittlerweile sind die Italiener entzaubert: 3:0 gegen die Niederlande.

Dass die Italiener als Favoriten zum Europaturnier in die Alpen gereist sind, versteht sich. Sie sind amtierender Weltmeister. Erfolg macht Favoriten, ist doch klar, oder? Ist es nicht.

Wie in jedem Jahr zählen die Experten Spanien unter die Favoriten. Dieses Phänomen gehört zu internationalen Fußballturnieren wie grölende Fußballfans. Dabei datiert Spaniens einziger Europameistertitel auf das Jahr 1964. 20 Jahre später brachten die Spanier es mal auf einen zweiten Platz. Bei Weltmeisterschaften sieht es noch flauer aus. 1950 erreichte Spanien einen vierten Platz. Sonst war spätestens im Viertelfinale Schluss.

In der FIFA-Weltrangliste steht Spanien dennoch auf dem vierten Platz, vor dem jeweils dreimaligen Welt- und Europameister Deutschland (Platz 5). Auch der eimalige Welt-und doppelte Europameister Frankreich (Platz 7) liegt abgeschlagen hinter den Spaniern. Wer das versteht, kann sicherlich auch erklären, warum der doppelte Weltmeister Argentinien die Weltrangliste anführt – vor dem fünfmaligen Weltmeister Brasilien (Platz 2).

Titel helfen also nicht bei einer guten Platzierung. Die FIFA rechnet ihre Weltrangliste nach einem komplizierten Punktesystem aus. Wer darauf nichts gibt, vermeidet es, alle Jahre wieder Spanien zum Titelaspiranten zu erklären.

Die Ronaldoisierung Der Eisenfüße

Haben Sie Christiano Ronaldo (Portugal) im Spiel gegen die Schweiz gesehen? Ist schon toll, wie der den Ball eng am Fuß über den Bolzplatz sausen kann. Viel mehr hat man von ihm nicht gesehen. Schnell mit dem Ball übers Spielfeld laufen, das kann David Odonkor (Deutschland) auch. Aber während die Fußballexperten im Fernsehen jede simple Ballberührung des Portugiesen zum Gemiestreich erheben, ist der Deutsche im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft für dieselbe Leistung auch schon getadelt worden, er könne es auch nicht besser. Seitdem greift die Ronaldoisierung ganzer Mannschaftsteile um sich: Das kroatische Team, Deutschlands nächster Gegner, soll in der individuellen Klasse deutlich überlegen sein. Da könne man nur mit Teamgeist dagegen halten. Das  rustikale Auftreten der Kroaten gegen Österreich gab zu solchen Einschätzungen keinen Anlass, aber vielleicht ist ja auch mit der individuellen Klasse nicht die beim Fußballspielen gemeint.

Das Strecken nach der dünnen Decke

Schwarz-Weiß-Diskussionen seien bereits in tausend anderen Talkshows geführt worden, setzte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil an und drohte damit Anne Wills Runde am Sonntagabend aus den Angeln zu heben. Denn genau darum ging es der Moderatorin: „Hungern muss hier keiner – Ein Land redet sich arm.“ So lautete das Motto. Und so polarisiert startete Anne Will in die erste Runde: Hier die ausgebeuteten Steuerzahler, dort die Sozialschmarotzer. Mehr hatte Anne Will nicht vorbereitet. Und genau das offenbarte die Personality-Show der Sonntagabend-Talkerin. Nicht einmal der Hurra-Modernisierer Guido Westerwelle (FDP) wollte Frau Will in Richtung Klassenkampf folgen.

Die Frage, wie können wir soziale Dynamik fördern, biegt Anne Will erfolgreich ab. Ebenso die Frage, woran es wohl liegt, dass immer mehr Menschen in eine Parallelgesellschaft abdriften, die man selbst dann nicht zur Arbeit zwingen könnte, wenn man die Hartz IV-Sätze halbieren würde. Eine Mindestlohndebatte rettet die – wieder einmal – schlecht vorbereitete Moderatorin. Da kommt Grabenkampfstimmung auf: Heiner Geißler (CDU) bezeichnet Guido Westerwelle als Denunziant. Gemeinsam mit Armutsforscher Butterwegge reitet er eine Attacke für die Ehre der Arbeitslosen. Dabei hatte einzig und allein Journalistin Rita Knobel-Ulrich den Transferempfängern pauschal Hängemattenmentalität vorgeworden.

Als auch dieses Scharmützel zu versiegen droht, zieht Anne Will den Joker. Warum will die SPD Gesine Schwan als eigenen Kandidatin für das Bundespräsidialamt aufstellen? Was hat das mit dem Thema zu tun? Landet Köhler im sozialen Netz, wenn er nicht wiedergewählt wird? Egal. Die Sendezeit ist um. Na, prima: Die dünne Decke einer schlampigen Recherche hat wieder einmal gehalten.

Knappe Mehrheit für Demokratie

Nur 60 Prozent haben Vertrauen in die Demokratie. Die Meldung geisterte am Montag durch die Nachrichtenportale. Sie geht zurück auf eine Umfrage für die Leipziger Volkszeitung. Bei den Ossis genießt unsere Staatsform noch weniger Vertrauen. Allerdings schneidet die Soziale Marktwirtschaft noch schlechter ab. Nur 48 Prozent haben noch Vertrauen in die Wirtschaft. Kunststück: Wenn die Befragten repräsentativ ausgewählt wurden, muss unsere Wirtschaft über 48 Prozent noch glücklich sein. Das sind die, die für dieses Jahr noch keine Kündigung gekriegt haben, die nicht von Hartz IV leben und die nicht für einen Hungerlohn malochen.

Dass die Deutschen nicht mehr an die soziale Marktwirtschaft glauben, ist die Korrektur eines Bildes vom weißhaarigen, väterlichen Unternehmer, der seine 30.000 Mitarbeiter alle mit Namen kennt und für jeden ein offenes Ohr hat. Dieses Bild war ein schöner Traum aus Zeiten, in denen man noch sanft auf der nächsten Gehaltserhöhung und der sicheren Rente ruhte. Weiterlesen

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