Knappe Mehrheit für Demokratie

Nur 60 Prozent haben Vertrauen in die Demokratie. Die Meldung geisterte am Montag durch die Nachrichtenportale. Sie geht zurück auf eine Umfrage für die Leipziger Volkszeitung. Bei den Ossis genießt unsere Staatsform noch weniger Vertrauen. Allerdings schneidet die Soziale Marktwirtschaft noch schlechter ab. Nur 48 Prozent haben noch Vertrauen in die Wirtschaft. Kunststück: Wenn die Befragten repräsentativ ausgewählt wurden, muss unsere Wirtschaft über 48 Prozent noch glücklich sein. Das sind die, die für dieses Jahr noch keine Kündigung gekriegt haben, die nicht von Hartz IV leben und die nicht für einen Hungerlohn malochen.

Dass die Deutschen nicht mehr an die soziale Marktwirtschaft glauben, ist die Korrektur eines Bildes vom weißhaarigen, väterlichen Unternehmer, der seine 30.000 Mitarbeiter alle mit Namen kennt und für jeden ein offenes Ohr hat. Dieses Bild war ein schöner Traum aus Zeiten, in denen man noch sanft auf der nächsten Gehaltserhöhung und der sicheren Rente ruhte. Da war Platz für solche Träume. Wer alle paar Tage dem eigenen Volk die Instrumente zeigt, darf sich nicht wundern, wenn die Leute allmählich das Gerede vom brutalen Dschungelgesetz des Kapitalismus glauben.

Aber wie steht es um unsere Demokratie? Müssen wir schon allmählich lernen, zu Marschmusik zu tanzen? Sollen wir schonmal auf dem Speicher gucken, ob noch was von Opas alter Uniform dort liegt? Dabei gehen solche Umfragen mit schöner Regelmäßigkeit so aus. Wir können sie nur verstehen, wenn wir diejenigen Institutionen betrachten, denen die Bundebürger nach wie vor Vertrauen entgegen bringen. Die Flugsicherung steht da für gewöhnlich weit oben – diesmal mit 75 Prozent Vertrauensbonus. Am höchsten steht die Polizei im Kurs – 85 Prozent. Bei anderen Gelegenheiten stand in ähnlichen Umfragen auch schonmal der ADAC an der Spitze.

Diesen Institutionen vertrauen wir, weil wir es müssen. Wenn wir ungebetenen Besuch kriegen, dann müssen wir uns darauf verlassen, dass unter 110 jemand an den Apparat geht. Wenn wir der Flugsicherung nicht trauen würden, wäre im Urlaub Rügen das höchste der Gefühle. Und wenn auf der Autobahn die Familienkutsche streikt, wollen wir gern glauben, dass die gelben Engel schon im Anflug sind. Nennen wir das ein instrumentelles Vertrauen, das wir aus eigenem Entschluss bestimmten Institutionen entgegenbringen.

Wenn die Demokratie in Gefahr gerät und tatsächlich niemand mehr einen Finger für sie rührt, dann müssen wir uns Sorgen machen. Bisher gibt es immer noch mutige Bundesbürger, die unseren Staat in Karlsruhe verteidigen, wenn Wolfgang Schäuble und Brigitte Zypries uns alle in einen Big-Brother-Container sperren wollen.

Sorgen machen müssen sich die Auftraggeber der Studie. Die Zeitungen sind im Vertrauen bei der Bevölkerung hinter das Fernsehen zurückgefallen. Das war früher einmal anders.

Kategorien: Ansichtssache, Medien

3 Kommentare

  1. Die interessanteste Frage wurde wahrscheinlich mal wieder ausgespart: „Wie viel Vertrauen haben sie in Meinungsumfragen?“

  2. Man muss nur die Fragen richtig stellen, um die passenden Antworten zu bekommen.
    Es stellt sich auch die Frage, ob man in die ’soziale Maktwirtschaft‘ grundsätzlich Vertrauen haben kann. Ist das ein Wesen, welches handelt? Die Menschen sind es die handeln und in die massgeblichen Akteure setze ich wenig Vertrauen.

  3. @horst: Man kann ja niemandem mehr trauen. Die Leute machen mit Meinungsumfragen Politik. Egal, ob man jetzt jemandem vertraut oder nicht – Hauptsache dieser Jemand liest die Meinungsumfrage und kriegt einen Schreck.

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