Die Grundlage aller Rechtsprechung im Dritten Reich bildete das so genannte Ermächtigungsgesetz. Es ermächtigt die Reichsregierung, Gesetze ohne Zustimmung des Parlaments zu beschließen. Artikel 2 schützt zwar die Institutionen Reichstag und Reichsrat, beraubt sie aber de facto jeder Funktion. Die Rechte des Reichspräsidenten lässt der Artikel übrigens unangetastet. Nach Verabschiedung des Gesetzes brauchte Reichskanzler Adolf Hitler die Notverordnungen des greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nicht mehr.

Eine zentrale Stützedes Rechtsstaates ist die Vorhersehbarkeit von Strafe. Jeder Mensch muss anhand geschriebener Gesetze zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können. Er muss wissen, was ihn erwartet, wenn er das Recht bricht. An diese Wurzel des Rechts geht das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der Toddesstrafe vom 29. März 1933“. Es stellt die angebliche Tat des Marinuns van der Lubbe – den Recihstagsbrand – nachträglich unter Todesstrafe. Der Täter wird nach einem Gesetz gehenkt, das es noch gar nicht gab als er die Tat begang.

Diese Rückwirkung der Gesetze eignet sich gut zur nachträglichen Legitimation von Staatsakten. Auch seiner Schlägertruppe SA entledigte sich Hitler mit einem solchen Gesetz. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden die gesamten Führungskader der einstigen NSDAP-Massenorganisation verhaftet und exekutiert, um einem vorgeblichen Staatsstreich des SA-Chefs und einzigen Hitler-Duzfreunds Ernst Röhm zuvor zu kommen. Diesen Massenmord legitimierte nachträglich das „Gesetz über Maßnahmen zur Staatsnotwehr vom 3. Juli 1934“.

Bleibt das Ermächtigungsgesetz in seiner Formulierung zwar totalitär, aber ideologisch noch relativ neutral, so finden sich im „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933“ bereits klare völkische – d.h. dezidiert nationalsozialistische – Inhalte: Paragraph 3 versetze alle Beamten nichtarischer Abstammung kurzerhand in den Ruhestand. Ausnahme: Weltkriegsteilnehmer. Eine Klausel, der auch Victor Klemperer seine Gnadenfrist bis 1935 verdankt, wie wir noch sehen werden.

Paragraph 4 fordert von Beamten die Treue zum nationalsozialistischen Staat. Erst das „Deutsche Beamtengesetz vomm 26. Januar 1937“ verpflichtet die Beamten zur bedingungslosen Treue gegenüber dem Führer, und zwar unter Nennung Hitlers: „Dem Führer, der ihm seinen besonderen Schutz zusichert, hat er Treue bis zum Tod zu halten.“

Die traditionelle Vorstellung vom Beamten als loyalem Diener des Staates, eingeschworen auf de Wertekanon der Nation stellt ein solcher Akt auf den Kopf. An die Stelle der Verfassung tritt eine Person: Adolf Hitler. Nicht einmal in seiner Funktion als Führer und Reichskanzler, sondern als Mensch. Dass der sächsische Sprachprofessor Victor Klemperer auf ihn keinen Amtseid ablegen konnte, versteht sich von selbst.

Interessanterweise saß Hitler bereits 1934 so fest im Sattel, dass er die Ländervertretung aufheben konnte. Nur drei Paragraphen enthielt das „Gesetz zur Aufhebung des Reichsrats vom 14 Februar 1934“, mit dem die Länderkammer des alten Reichs sein Leben aushauchte. Angesichts der Machtfülle durch das Ermächtigungsgesetz stellt dieser Rechtsakt aber wohl nur das offensichtliche fest.