In betrügerischer Absicht Pferdefleisch in Lasagne, Tortellini oder Ravioli? Das ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. In seinem „nicht versagenden Rathgeber des häuslichen Lebens“ warnte Dr. Carl Freiherr von Rechenberg schon 1889 vor Pferdefleisch selbst in „theuren“ Restaurants:

„Das Pferdefleisch wird überall jetzt in Deutschland verzehrt. Der Preis ist nur etwa halb so hoch wie derjenige des Rindfleisches und das ist ausschlaggebend für die ärmeren Kreise. Aus Gesundheitsrücksichten läßt sich auch durchaus nichts gegen die Verwendung des Pferdefleisches einwenden, vorausgesetzt, daß an dem betreffenden Orte eine obrigkeitliche Fleischschau alle kranken Thiere ausschließt. Auch eigentliche Geschmacksgründe lassen sich nicht gegen den Genuß des Pferdefleisches geltend machen. Weder der Schinken, noch die Cervelatwurst, noch der Braten vom Pferde schmeckt irgend wie fremdartig, geschweige süßlich, wie hin und wieder behauptet wird, nur das Fett besitzt einen fremden süßlichen Geschmack.

Immerhin wird man aber einen gewissen Widerwillen erst überwinden müssen, der weniger durch den Gedanken an die noch etwas ungewohnte Speise begründet ist, noch etwa durch den etwas sentimentalen Gedanken, daß das edle Roß, der langjährige treue Genosse des Menschen, ein solches Ende findet, sondern vielmehr durch die im Allgemeinen zutreffende Thatsache, daß nur solche Pferde geschlachtet werden, welche nicht mehr arbeiten können, also sonst zu dem Schinder geschafft werden. Altersschwache, nicht mehr arbeitsfähige Pferde bilden den hauptsächlichen Antheil des Schlachtmaterials. Die wenigen durch Sturz verunglückten Thiere bilden dagegen seltene Ausnahmen.

Daß das Fleisch im Uebrigen nicht schlecht noch fremdartig schmeckt, hat Mancher, ohne daß er es weiß, an sich selbst erfahren; in den Restaurants, oft in den theuersten und feinsten, wird es zuweilen an Stelle von Rindfleisch gegeben. Die warmen Würstchen, welche von den Herumträgern in größeren Städten feilgeboten werden, sind fast stets aus Pferdefleisch bereitet: man kann zufrieden sein, wenn sie wenigstens nichts Schlimmeres enthalten. Mißtrauen erweckend sind in gleicher Weise die warmen auf den Haltestationen der Eisenbahn angebotenen Würstchen. Das Pferdefleisch sieht im Stück, besonders geräuchert, um ein Weniges dunkler roth als Rindfleisch aus, gewiegt aber, also in der Wurst, ist es vom Schweine- oder Rindfleisch nicht mit Bestimmtheit zu unterscheiden.

Dr. Carl Freiherr von Rechenberg: Hausherr und Hausfrau – Wissenschaft und Praxis des häuslichen Lebens, Cassel 1889, S. 338.

Man möchte hinzufügen: Auch in Tiefkühllasagne ist das Pferdefleisch nicht mit Bestimmtheit vom Schweine- oder Rindfleisch zu unterscheiden. So gilt für zeitgemäße Tiefkühlprodukte dasselbe wie für die Wurst: Man kann zufrieden sein, wenn sie nichts Schimmeres enthalten als Pferdefleisch.

Hausherr_und_Hausfrau_Pferdefleisch