Empört sind heute irgendwie alle, und zwar über den Lauschangriff. Bild titelt: „Merkel empört über Lauschangriff“, die Märkische Allgemeine Zeitung formuliert es etwas vorsichtiger: „Empörung über Lauschangriff“. Dabei stellt sich zumindest die Frage, ob einer, der gerade von einer Mount-Everest-Besteigung ohne Sauerstoffgerät und iPad zurückgekehrt ist, wirklich weiß, dass es um Muttis Handy geht. Aber lassen wir das. Fragen wir lieber: Wie erkennt man eigentlich Empörung?
Ob jemand Empörung äußert oder wirklich empört ist, sind zwei verschiedene Botschaften. Kaum anzunehmen, dass auch nur Einer in unserer politischen Klasse so blond ist zu glauben, dass die Amerikaner in Deuschland flächendeckend Mobilfunk ausspähen und ausgerechnet vor dem interesssantesten Handy der Republik zurückschrecken. Wir dürfen unsererseits also annehmen, dass sich in die Empörung eine große Portion Heuchelei mischt. Die Schlagzeilen könnten von diesem Standpunkt aus betrachtet auch lauten: „Merkel heuchelt Empörung“ oder: „Heuchelei über Lauschangriff“. Das wäre natürlich eine Unterstellung. Aber die Annahme, Merkel oder irgendjemand in ihrem Umfeld sei ehrlich empört, können wir genauso schwer beweisen.
Ja, ich weiß: Man muss für Schlagzeilen verkürzen. Dennoch, liebe Bildzeitung: Schlagzeilen wie „Ich bin empört“ kann Angela Merkel auch selbst schreiben, dazu braucht sie die Hauptstadtjournaille nicht. Der Leser übrigens auch nicht.
26. Oktober 2013 — 13:49
Interessant finde ich, was so manche Leute (z. B. Politiker, aber auch einige Journalisten) in den Medien dazu so von sich geben.
Ernsthaft auf die Idee zu kommen, die NSA wolle beim Abhören von Merkels Handy irgendetwas über Terrorismus erfahren, wäre naiv.
Die USA dürften viel mehr an Information über deutsche Verhandlungspositionen zum angestrebten Freihandelsabkommen und ähnlichen Dingen interessiert sein. Es geht ganz einfach um Machtpolitik. Man tut es, weil man es kann und weil man die eigene Position damit verbessern kann.
Das Volk stört da nur und wird mit Märchen von fehlgeleitetem Sicherheitsbedürfnis der USA und Empörung Merkels abgespeist. Vermeintliche ‚Täter‘ (NSA/US-Regierung) und ‚Opfer‘ (Merkel/Bundesregierung) sind sich hinter den Kulissen doch einig.
Dass man auf deutscher und europäischer Seite die ‚Affäre‘ mit gespielter Empörung natürlich dazu zu benutzen versucht, die eigene Position gegenüber dem ‚Großen Bruder‘ USA ein wenig zu stärken passt da nur ins Bild. Es geht nicht um Freundschaft, um Vertrauen oder um Sicherheit. Es geht um die jeweils eigenen Interessen und wie man sie durchsetzen kann, sonst nichts.
28. Oktober 2013 — 08:46
Vielen Dank für deinen Kommentar. Mein Beitrag geht genau in diese Richtung. Wir übernehmen etwas zu leichtfertig offiziell behauptete Tatsachen aus einem Milieu, dessen vorrangige Aufgabe darin besteht, Tatsachen zu vernebeln. Deine Theorie ist mindestens so plausibel wie die offizielle von der ehrlichen Empörung.