Unser Grundgesetz ist heute 75 Jahre alt geworden. Am 23. Mai 1949 verkündete der Parlamentarische Rat der Bundesrepublik Deutschland das Grundgesetz, das tags darauf in Kraft trat. Schon der Name sollte andeuten, dass es sich beim Grundgesetz um ein Provisorium handeln sollte, das bei Wiederherstellung eines geeinten Deutschlands durch eine echte Verfassung ersetzt werden sollte. Als die Wiedervereinigung 1989/90 erfolgte, entschied man sich gegen einen solchen Schritt. Unter anderen Gregor Gysi (Linkspartei) hat dies immer wieder als historisches Versäumnis beklagt.
Grundgesetz: Upgrade zur Verfassung?
Dennoch betont der Linkspartei-Veteran in diesen Tagen die Stärken des Grundgesetzes. Ein Grund mehr, Artikel 146 GG zu streichen:
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Art. 146 GG
Nach 75 Jahren, in denen sich das GG bewährt habe, sei es an der Zeit, es vom Grundgesetz zur Verfassung zu erheben, fordert der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke). Auch er zählte zu denen, die in der Vergangenheit die verpasste Chance einer neuen gemeinsamen Verfassung beklagten. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) fordert der Politiker eine Volksabstimmung über das Grundgesetz in seiner aktuellen Fassung, um es zur neuen – gemeinsamen Verfassung zu zu erheben. Dies könne die „emotionale Fremdheit“ vieler Ostdeutscher gegenüber dem Grundgesetz lindern und rechten Verschwörungstheoretikernen entgegenwirken. Denn diese betonten ja gerade das Fehlen einer Verfassung als Beweis dafür, dass es in Wirklichkeit keinen deutschen Staat gebe.
Updates für das Grundgesetz
Die Rostocker Staatsrechtlerin Dana-Sophia Valentiner formuliert im Onlinemedium „Legal Tribune Online“ (LTO) einen ganzen Wunschzettel, den ich hier stichwortartig zitieren möchte:
- Streichung des „Sittengesetzes“, das in Art. 2 Abs. 1 GG als Grenze für die persönliche Freiheit des Einzelnen formuliert ist – neben den Rechten anderer und der verfassungsmäßigen Ordnung. Im besten Falle sei diese Formuliierung ein EInfallstor für selbsternannte Sittenwächter.
- In dem Zusammenhang fordert Valentiner die Aufnahme der „sexuellen Orientierung“ in den Kanon der Eigenschaften, derentwegen kein Mensch diskriminiert werden darf.
- Aus diesem Kanon verschwinden sollte hinggen der Begriff der „Rasse“. Darin hat nationalsozialistische Rassenlehre die Zeiten überdauert. Alternativ schlägt die Professorin vor, auch im Grundgesetz Menschen vor Diskriminierung auf grund „rassistischer oder antisemitischer Zuschreibungen“ zu schützen.
- Die Juristin fordert, anderweitig festgelegte Grundsätze wie ein menschenwürdiges Existenzminimum (s. Hartz IV- Rechtsprechung des BverfG) oder das Recht auf schulische Bildung endlich auch im Grundgesetz zu formulieren.
- Auch eine Verpflichtung des Staates zu Nachhaltigkeit und Schutz des Planeten findet sich auf Valentiners Wunschzettel
- Valentiner schließt sich der Forderung an, das Bundesverfassungsgericht besser vor politischem Zugriff zu schützen. Im Grundgesetz solle dafür die Wahl der Verfassungsrichter*innen an eine Zweidrittelmehrheit in Bundesrat bzw. Bundestag gebunden werden.
- Zudem wünscht sich die Juristin eine genauere Regelung, welchen fachlichen Anforderungen Verfassungsrichter*innen genügen sollen.
All diese Forderungen sollen die Seele des Grundgesetzes weiter entwickeln. Zur Begründung der Forderungen verweise ich auf Frau Valentiners Artikel. Unbedingt lesen. Lohnt sich!
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