Kennen Sie Baidu? Nein? Dann sind Sie in bester Gesellschaft. Bis zur Veröffentlichung der Suchmaschinenstatistiken des US-Martforschungsinstitutes ScoreCom für August 2007 werden wohl die wenigsten von uns den Namen der drittgrößten Internet-Suchmaschine vernommen haben. Baidu sucht chinesische Seiten, und Baidu sucht in chinesischer Sprache. Und: Baidu wirft einen langen Schatten. Einen Schatten der Veränderungen, auf die wir uns einstellen müssen.
Ein anderes Beispiel: Zwei chinesische Unternehmen bauen einen Mobilfunkmast in rund 6000 Metern Höhe am Mount Everest. Wenn 2008, zu den olympischen Sommerspielen das olympische Feuer nach Peking getragen wird, dann wird der Läufer auch den Mount Everest erklimmen. Nur zum Spaß. Nur um zu zeigen, dass die Volksrepublik es kann.
Und eines der Unternehmen, China Mobile, ist nicht nur der größte Mobilfunkanbieter in China, sondern der größte der Welt. 300 Millionen Kunden hat allein dieses Unternehmen. Zum Vergleich: Die Europäische Union verfügt über rund 450 Millionen Einwohner.
Da positioniert sich ein Land allmählich in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen für die Rolle, die ihm US-Präsident Richard Nixon schon vor über 30 Jahren militärisch zugestanden hat: die Rolle einer Supermacht.
China wird Deutschland in allernächster Zukunft als Exportweltmeister überholen. Definitiv ist Angela Merkel die letzte Kanzlerin gewesen, die einen G8 Gipfel geleitet hat, in dem noch nicht die meisten Mitglieder wirtschaftliche Zwerge sind. Auf Kanada oder Italien dürfte das schon heute zutreffen.
Mit dem Aufstieg Chinas wird sich auf diesem Planeten auch politisch einiges ändern. Mit China dämmert am Horizont der Europäer das erste Mal eine Supermacht herauf, die in ihrer politischen Kultur kaum von der Aufklärung geprägt ist. Auch wenn westliche Außenpolitik nie von den europäischen Werten geprägt war, auch wenn wir seit Menschengedenken lieber zuverlässige Despoten unterstützen als demokratische Strukturen, so wird nicht spurlos an uns vorüber gehen, dass uns Europäern erstmals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein gesellschaftlicher Gegenentwurf gegenübertritt.
Ein erfolgreicher Gegenentwurf: China verzeichnet Jahr für Jahr ein zweistelliges Wirtschaftswachstum, es ermöglicht einem immer größeren neuen Mittelstand einen bescheidenen Wohlstand. Die Landbevölkerung bleibt dabei auf der Strecke, doch gerade in diesem Jahr hat die KP-Führung gezeigt, dass sie das soziale Pulverfass erkannt hat, auf dem sie sitzt.
Den Konflikt zwischen Kapitalismus und Kommunismus scheint China jedoch mustergültig auszuhalten. So verzeichnet die Kommunistische Partei Chinas noch keineswegs Nachwuchssorgen. Im Gegenteil: Immer noch kann es sich die Partei leisten, nur ausgewählte Bewerber aufzunehmen. Diese zählen gleich im mehrfachen Sinn zur Elite: gesellschaftlich und wirtschaftlich. Im Augenblick bereitet sich die Partei ohne großes Aufsehen auf einen Generationswechsel vor. Die fünfte Führungsgeneration tritt an – ohne dass das Parteigebäude auch nur im Geringsten ächzt.
China, so könnte man meinen, verwirklicht Michail Gorbatschows Vision von einem Sozialismus, der den Allmachtsanspruch einer sozialistischen Staatspartei in kapitalistische Wirtschaftsformen und einen kapitalistischen Lebensstil hinüber rettet.
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