Kategorie: Feuillton

Kultur, Musik, Film, Literatur, Zeitgeist

CD-Tipp: Freundliche Reisende

Foto: Carmen Brucic

Duos haben im Jazz einen festen Platz. Aber Gitarre und Schlagzeug? Wolfgang Muthspiel (Gitarre) und Brian Blade (Drums) haben sich dieser Herausforderung gestellt, und mit „Friendly Travelers“ ein Album geschaffen, das den normalerweise Bodenhaftung verleihenden Bass nicht vermissen lässt. Brian Blade entlockt den Trommeln und Becken selten gehörte Fülle und Harmonie. Brian Blade begreift als einer der ganz wenigen Drummer sein Schlagzeug als mehrstimmiges Musikinstrument. Auch im Zusammenspiel mit Wolfgang Muthspiel zeigt er diese seltene Fähigkeit, für die einzelnen Klangkörper des Schlagzeugs eigene Stimmen zu führen.
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Interview: Das Wichtigste ist immer die Emotion

Edgar KnechtFoto: Wolff von Rechenberg

Lange war es ruhig um den Komponisten Edgar Knecht. Seine erste Solo-CD „@Pianowaonderland“ erschien schon 1998. Danach war er nur als Pianist auf den Jazzbühnen zu sehen. Grund war die Geburt seiner Tochter Fenja 1995. Jetzt meldet er sich mit „Valsanova“ zurück. Diesmal ganz ohne elektronisches Beiwerk. Dafür aber wieder mit vielen Zitaten aus Jazz, Romantik, afrikanischer und lateinamerikanischer Musik. Auf „Valsanova“ bestätigt Edgar Knecht seinen Ruf als exzellenter musikalischer Geschichtenerzähler, als Romantiker, als temperamentvoller Pianist, und er hat eine neue Quelle der Inspiration entdeckt: deutsche Volks- und Kinderlieder.
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Blood Diamond

Blood DiamondFoto: Imdb

Es ist eine der großen Rollen Hollywoods: Der zynische Einzelgänger, der sichselbst der Nächste ist und doch am Schluss zum Helden wird. Clark Gable hat sie gespielt, Humphrey Bogart hat sie geradezu verkörpert, in „Blood Diamond“ spielt sie Leonardo Di Caprio. Er spielt den Ex-Söldner Danny Archer, der im Chaos des Bürgerkriegs in Sierra Leone 1999 Waffen an die Rebellen liefert und dafür Diamanten kassiert, Blutdiamanten.
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James Bond – Episode I

Um die Welt jetten, in teuren Anzügen in teuren Casinos sitzen, trockene Martinis und schöne Frauen vernaschen. So kennt man James Bond. Daniel Craig, der fünfte offizielle Bond-Darsteller im 21. offiziellen Bond-Abenteuer „Casino Royale“ gibt uns nun einen Bond in der Ausbildung, einen Geheimagenten, der sich unter strenger Kontrolle von M (Judi Dench) im Kampf gegen den Halunken Le Chiffre (Mads Mikkelson) seine Doppel-Null verdienen muss. Craig zeigt Bond als Straßenköter, der sich hocharbeitet und dabei manchmal noch darüber aufgeklärt werden muss, dass es solche und solche Dinerjackets gibt. Craigs Bond ist (noch) kein cooler Zyniker, aber einer, der die wichtigste Qualifikation für einen Doppelnull-Agenten mitbringt: Er kann töten, ohne mit der Wimper zu zucken. Dabei wirkt er oft brutal. Kein Wunder: Craigs Bond ist keine Karikatur auf einen englischen Snob, wie der von Roger Moore, und kein Dandy, wie der von Pierce Brosnan. Seit Sean Connery hat kein Bond mehr jene Aura von Gefährlichkeit verbreitet, die zu einem Killer im Regierungsauftrag passt. Craig holt Bond aus dem Glamour und verleiht ihm etwas überraschend Reales. Graigs Bond ist ein Bond, wie ihn eher John le Carré als Ian Fleming erdacht haben könnte. Dazu passt seine Ausstattung. Die abgefahrenen Spielzeuge eines Q stehen dem neuen Bond kaum zur Verfügung. Einzig der Defibrilator im Handschuhfach erinnert an alte Zeiten. Dafür konsultiert er ab und zu das Hauptquartier und sei es nur, um in der Datenbank zu recherchieren. Craigs Bond zeigt als erster die Fähigkeit zur Entwicklung. Überrascht stellen wir fest, dass der junge Bond am Ende seiner Episode I ein anderer ist als der, den wir in der ersten halben Stunde kennengelernt haben. Mit Casino Royale haben sich die Bond-Produzenten eine ganz große Chance eröffnet: Bond ist nicht als Playboy vom Himmel gefallen, er hat eine Geschichte. Daniel Craig könnte der erste wirklich neue Bond werden, wenn die Produzenten es nicht vermasseln, indem sie ihm weiter so fade Drehbücher geben. Denn das größte Problem von „Casino Royale“ ist nicht der neue Bond, sondern das schlechte Timing mit seinen langen und langatmigen Sequenzen und seinem zerfaserten Spannungsbogen.

Quickie zweier Exzentriker

1968 ging das israelische Pop-Duo Esther und Abi Ofarim als Traumpaar um
die Welt. Der Rest ist Geschichte:
Traum und Paar zerbrachen schon ein Jahr später. Aus dem Nachlass der
wechselvollen Lebensgeschichte der Esther Ofarim liegt nun ein fast
vergessenes Juwel vor. „Esther Ofarim in New York with Bobby Scott and
his Orchestra“ nahm die damals in Amerika noch unbekannte Sängerin 1965
mit einem der damals angesagtesten Jazz-Orchester auf, mit dem des
Multiinstrumentalisten Bobby Scott. Scott hielt sich ganz bescheiden für
einen der größten lebenden Arrangeure, heißt es im Booklet der CD.
Logisch, dass so jemand manchmal vergisst, dass er nicht allein im
Studio steht. Sonst hätte er beim Abhören der Aufnahmen ganz sicher
gemerkt, dass seine Arrangements der Sängerin manchmal zuviel
abverlangen. In „By Myself“ klingt Esther Ofarims Stimme in den hohen
Lagen etwas gepresst, und das ist leider nicht der einzige Song, auf den
das zutrifft. Bobby Scott soll Esther in Tönen gelobt haben, die er
sonst nur sich selbst vorbehielt. Da ist trotz der erwähnten
Einschränkungen eine Menge dran. Esther Ofarim gibt sich in jeden Song
voll hinein, singt als sei es der letzte auf der CD. Dazu groovt das
Orchester, dass es eine Wonne ist. Es musste damals alles sehr schnell
gehen, erinnert sich Esther Ofarim in einem Interview im Booklet. Da
waren die Musiker, da war das Studio und dann ging es los. Ein Quickie
zweier musikalischer Exzentriker. Man spürt die Spannung im Orchester
wie in der Stimme der Sängerin, das macht die Platte so wertvoll. Ein
Geheimtipp für alle Freunde von großen Stimmen und großen Besetzungen.
Für Fans der israelischen Sängerin ist die Platte schon wegen des
umfangreichen und informativen Begleitmaterials ein Muss!

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