Ja, auch ich habe „Das Vermächtnis der Wanderhure“ gesehen. Zumindest einen Teil davon. Dabei hatte ich mir schon nach etwa 20 Minuten des ersten Teils geschworen, mich nicht durch weitere Teile der Saga zu quälen. An diesen Schwur hätte ich mich erinnern sollen. Jetzt lastet das „Vermächtnis der Wanderhure“ tonnenschwer nicht nur auf meiner Historikerseele. Aber ich bin doch nicht absichtlich in dieses Inferno aus Mittelalter-Softporno-Soap und schluchzender Langeweile geraten!
Mein Sitcom-Abend war früh zuende, weil Stefan Raab pokern wollte. Und Stefan Raab beim Pokern zusehen? Da sehe ich lieber einem Cheddarkäse beim Reifen zu. Also Zapp! Weg mit Raab, und ich landete… Bei den Hunnen. Fragt mich nicht, was eine anständige deutsche Wanderhure zu den Hunnen verschlägt. Die Idee ist bei den Nibelungen geklaut.
Das macht nichts, denn gut geklaut ist auch im Film allemal besser als eine schwache eigene Geschichte. Also: Die Wanderhure ist bei den Hunnen und lernt dort einen, tja, Europäer kennen, der wohl mal adopiert worden ist von irgendeinem Großkhan. Das ist wichtig, denn dass Alexandra Neldel das Bärenfell mit einem Asiaten teilt, das geht nun wirklich nicht. Im Roman vermutlich schon nicht, bei Sat1 erst recht nicht. Immerhin erhält sie Hilfe von einer ebenfalls von den Hunnen erbeuteten Afrikanerin (Sagt man Afrohunnin?).
Auf jeden Fall tauchen dann plötzlich drei Typen auf, die Neldel befreien wollen. Sie werden gefangen genommen und wissen: Einer von Ihnen muss sterben. Die Szene spielt sich dann zusammengefasst so ab:
Gefangene: „Nein! Tötet ihn nicht!“
Henker: Zack!
Gefangene: „Okay. Was steht jetzt im Drehbuch!“
Die Kreuzigungsszene in „Das Leben des Brian“ hat dramatischen Tiefgang im Vergleich zu diesem peinlichen Trash. Versteht mich recht: Auch Dan Brown hat nicht mehr Tiefgang. Dafür ist er wenigstens spannend, was die Wanderhure nicht ist. Kurz darauf verpasst Neldel dem weißen Barbaren eine Portion Psychoanalyse in a nutshell, worauf der zum heulenden Elend wird. Wenn Barbaren anfangen zu weinen – Alter, das geht gar nicht. Er mag sich an diesem Punkt des Films genauso elend gefühlt haben wie ich.
Wir haben beide ausgehalten. Er, weil sein Vertrag ihn dazu gezwungen hat. Ich, weil ich jetzt nicht klein beigeben wollte. Es hat mich alle Kraft gekostet und mich schwer traumatisiert. Der Rest ist auch schnell erklärt. Man flieht mit Neldels Baby. Dabei werden noch zwei Helfer erschossen:
Helfer: „Ahhhh!“
Neldel und Begleiter: „Oh wie grausam! Na, egal komm weiter! Wir haben den Film bald überstanden!“
Zum Schluss verhindert die Wanderhure noch ein Gemetzel durch die Hunnen- oder an den Hunnen, scheißegal -, verhilft einem gewissen Sigismund – wenn der das hätte sehen können – zur Kaiserkrone und… Das war’s. Noch Fragen, warum Alexandra Neldel ihr Talent nicht an noch eine Folge „Wanderhure“ vergeuden möchte? Ich hoffe, dass auch andere Schauspieler das so sehen. Sicher ist: Die Wanderhure wird uns wieder heimsuchen. Ihre Erfinderin Iny Lorentz hat viele noch unverfilmte Wanderhurenromane geschrieben.
Mit Schrecken lesen wir, dass uns auch noch eine „Tochter der Wanderhure“ droht. Die Wanderhure wird der James Bond der deutschen Mittelalter-Schmonzette. Unsterblich, solange am Set genug Bärenfelle und Strohmatratzen herumliegen, solange noch einer bereit ist solche Drehbücher zu schreiben und solange noch Schauspielerinnen und Schauspieler bereit sind die Wanderhure und ihre männlichen Liebhaber/Leichen zu spielen. Aber eigentlich würde für die Wanderhure auch der Cast von „Berlin Tag & Nacht“ reichen.
Wenn es bei der Trilogie bleibt, haben wir sie überstanden. Das ist das schönste an diesem Film. Und jetzt habe ich einen Termin bei meinem Neurochirurgen. Der muss mir die Gehirnwindungen mit Rohrfrei spülen, die Netzhäute polieren und das Innenohr desinfizieren. Das nächste Mal, Stefan Raab, bleibe ich bei dir und sehe dir beim Pokern zu.
16. November 2012 — 20:37
Es wird immer und immer und immer wieder kommen. Raabs Sponsorschau für in Deutschland nicht zugelassene Online Poker Webseite muss man wirklich nicht haben. Zum Glück kann man die Glotze abschalten oder eine Konserve schauen. Dank digitaler Technik reicht mein Fundus von Uralt bis brand neu.
16. November 2012 — 22:41
Auch ein guter Tipp. Oder Basteln, oder im Internet shoppen gehen, oder Stricken. Alles besser als die Wanderhure.