Sarrazin: Hypothese von Verdummung nicht haltbar

Hamburg (ots) – „Mit seinem mehrfach wiederholten Satz ‚Intelligenz ist zu 50 bis 80 Prozent erblich‘ zeigt Thilo Sarrazin, dass er Grundlegendes über Erblichkeit und Intelligenz nicht verstanden hat“, schreibt die Zürcher Psychologin Elsbeth Stern in der Wochenzeitung DIE ZEIT. Auf Arbeiten der Wissenschaftlerin hatte sich der umstrittene Bundesbank-Vorstand explizit berufen. Stern
tritt in einem Gastbeitrag Sarrazins Interpretation von Erblichkeit und einer angeblichen Verdummung der Gesellschaft entgegen. Man müsse „viele seiner Folgerungen infrage stellen“.

Stern argumentiert unter anderem, dass nicht das absolute Ausmaß der Intelligenz, sondern vielmehr die Abweichung vom Mittel („Varianz“) durch Unterschiede im Erbgut bedingt seien. Intelligenz sei ein komplexes Merkmal, dessen Vererbung „das Ergebnis glücklicher Zufälle bei der Bildung von Eizellen und Spermien sowie der Befruchtung“ sei.

Elsbeth Stern betont daher: „Aus Erblichkeit und Fertilität im Dreisatz auf eine drohende Verdummung zu schließen, wie Thilo Sarrazin es tut, ist mit einer komplexen Anlage wie Intelligenz schlicht nicht möglich und ignoriert zudem die vielfältigen sozialen Einflüsse.“ Dazu zählten unter anderem Elternhaus und Schule.

Elsbeth Stern forscht an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich auf den Fachgebieten Lernen und Intelligenz. Sie zählt zu den führenden Wissenschaftlern auf diesem Gebiet. Zuvor hat sie als Professorin an mehreren Hochschulen in Deutschland und der Schweiz, sowie am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung gearbeitet.

Sie schließt ihren Gastbeitrag mit der Prognose: „Es wird zu keinem Einbruch des Durchschnitts-IQ in  Deutschland kommen, wenn Menschen, die sich in der unteren Hälfte der Intelligenzverteilung befinden, mehr Kinder haben.“

Kategorien: Politik und Gesellschaft

2 Kommentare

  1. Wie man im Spiegel lesen kann, ist das Buch von Sarrazin nicht nur verkaufsmässig ein Hammer, sondern es fördert auch Parteieintritte von islamfeindlichen Parteien. Vielleicht denken jetzt mal die Kritiker nach, wem sie mit ihrem Aufschrei eigentlich helfen. Den Verkaufszahlen des Buches und den islamfeindlichen Parteien. Manchmal, und das betrifft jetzt nicht nur Sarrazin, sondern auch die Kritiker, ist Schweigen besser als Reden.

  2. Wolff von Rechenberg

    1. September 2010 — 21:17

    Vieles spricht dafür, dass du Recht hast. Ich habe mich auch gefragt, ob ich etwas dazu veröffentliche. Ich finde aber, dass man Sarrazin widersprechen muss, wo er die Unwahrheit sagt. Warum sollen wir die Diskussion darüber, wie wir leben wollen, den Sarrazins überlassen? Ich finde aber einen Ausschluss Sarrazins aus der Bundesbank in der Tat fragwürdig.

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