Für unsere Großeltern war er das höchste der Gefühle: der Bohnenkaffee. Dann gab es solchen und solchen Kaffee. Wollte die Hausfrau von der Familie nicht verstoßen werden, dann hatte sie das Verwöhnaroma zu kredenzen. Jeder andere Kaffee führte zum sofortigen Entzug jeder Zuneigung und zu Verbannung von Haus und Hof sowie zum Austausch gegen eine bessere Mutti, die den richtigen Kaffee kauft. Frau Sommer aus der Jacobs-Werbung war keineswegs der gute Engel, sondern ebenso das Damoklesschwert über dem Haupt der Hausfrau.

Im neuen Jahrtausend treten wir ein in eine neue Art des Kaffeekonsums. Der virulenten Verbreitung der Single-Haushalte entspricht die Senseo-Kaffeemaschine. Wie kläglich sähen die zwei kleinen Tässchen, die so eine Maschine kocht, wohl unter Muttis voluminöser Kaffeemütze aus? Dafür muss der Kaffee jetzt aber echt etwas Besonderes sein. Wenn wir schon Singles sind, tendenziell depressiv, abhängig von Fernseher und Fitness-Studio, dann muss es sich doch wenigstens lohnen. Wenn wir schon kürzer leben als Verheiratete, dann wollen wir in der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung steht, um der Konsumgüterindustrie zu dienen, dann wollen wir in dieser Zeit wenigstens guten Kaffee trinken.

Aber was ist guter Kaffee? Geschmack? Nein, das ist ausgereizt. Man muss es sehen können. Nur deshalb setzen jetzt in Werbespots junge Männer die Tasse – Entschuldigung – das Tässchen ab, den Blick seelig-verklärt wie nach einem guten Joint und mit fingerdickem Schaum auf der Oberlippe. Die Crema muss es sein. Als Qualitätsmerkmal sticht sie jedes Aroma aus. Für das Aroma muss man den Kaffee probieren, die Crema bedeckt das Gesicht so deutlich und schaumstarrend wie ein guter Rasierschaum.

Vorbild ist ein Nahrungsmittel, aus dem mittlerweileder Schaum fast völlig verschwunden ist: das Pils. Da wischten sich früher in den Reklamefilmen markige Männer mit dem Handrücken den Schaum vom Mund. Manche Brauereien rühten sogar Formaldehyd ins Bier, damit die Blume richtig steht. Das hat sich seit Corona, Desperados und Binding Lager geändert. Seitdem stört es nicht weiter, wenn Bier im Glas aussieht, wie Eigenurintherapie. Mit all ihrem Know How in der Lebensmittelkosmetik sollten vielleicht die Brauereien ins Kaffeegeschäft einsteigen.