Kategorie: Geschichte

Victor Klemperer 4: Rassengesetze

Wie wir schon erfahren haben, bildete die Rassenidee den Kern nationalsozialistischer Überzeugungen. Schon früh gingen die neuen Machthaber daran, ihr Menschenbild in Recht und Gesetz zu fassen. So ermöglichte das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933“ die Sterilisation von Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung, ja selbst von Alkoholikern. Ein halbes Jahr nach den Fackelzügen der Machtergreifung griff das Regime damit ins Privateste der Menschen ein. Das mag einen Eindruck davon vermitteln, wie schnell die Hitler-Partei ihre Ideologie staatlich verankern konnte.

1935 verbot ein Gesetz die Eheschließung, wenn die Gefahr von erbkrankem Nachwuchs bestand. Wohlgemerkt: Um als psychisch krank zu gelten, brauchte sich das Individuum lediglich mit manischen Depressionen in psychiatrischer Behandlung befunden haben. Eine Krankheit, die seinerzeit nicht seltener gewesen sein mag als heute.

Ebenfalls 1935, am 15. September, entzog das „Reichsbürgergesetz“ Mitbürgern jüdischen Glaubens die deutsche Staatsbürgerschaft. Damit begann eine wahre Flut von Gesetzen und Verordnungen, die den Juden zunächst die Reisepässe entzog, und die am 15. September 1935 in den Nürnberger Rassegesetzen ihren Höhepunkt erreichte: Berufsverbote, Namensgesetze, Judenstern.

Victor Klemperer 3: Bemtenrecht und Machtpolitik

Die Grundlage aller Rechtsprechung im Dritten Reich bildete das so genannte Ermächtigungsgesetz. Es ermächtigt die Reichsregierung, Gesetze ohne Zustimmung des Parlaments zu beschließen. Artikel 2 schützt zwar die Institutionen Reichstag und Reichsrat, beraubt sie aber de facto jeder Funktion. Die Rechte des Reichspräsidenten lässt der Artikel übrigens unangetastet. Nach Verabschiedung des Gesetzes brauchte Reichskanzler Adolf Hitler die Notverordnungen des greisen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nicht mehr.

Eine zentrale Stützedes Rechtsstaates ist die Vorhersehbarkeit von Strafe. Jeder Mensch muss anhand geschriebener Gesetze zwischen Recht und Unrecht unterscheiden können. Er muss wissen, was ihn erwartet, wenn er das Recht bricht. An diese Wurzel des Rechts geht das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der Toddesstrafe vom 29. März 1933“. Weiterlesen

Victor Klemperer: 2. Gesetzgebung im Nazireich

„Eine Staatsordnung ist nur von Dauer, wenn sie die Rechtssehnsucht des Volkes befriedigt. Mit Brutalität, Willkür, Gewalt und Tyrannei wurden schon viele Staaten geschaffen; gehalten hat keiner.“ Hans Frank: Rede vor der internationalen Rechtskammer vom 5. April 1941.

Diesen Worten des nationalsozialistischen Juristen Hans Frank möchte man mit Blick auf das Ende des Dritten Reiches vorbehaltlos zustimmen. Natürlich hatte der Gefolgsmann Adolf Hitlers anderes im Sinn. Hans Frank weiter:

„Mit der bisherigen Methode, das Recht als Selbstzweck zu betrachten, muss radikal gebrochen werden. Im nationalsozialistischen Staat kann das Recht immer nur ein Mittel sein zur Erhaltung, Sicherstellung und Förderung der rassisch-völkischen Gemeinschaft. Die Einzelpersönlichkeit kann vom Recht nur noch unter dem Maß seines Wertes für die völkische Gemeinschaft gewertet werden.“

Mit diesen Worten stellt der Rechtsgelehrte im Juni 1941 unmissverständlich klar, wohin die Reise gehen soll. Das Recht spielt für die Nationalsozialisten durchaus eine Rolle. Aber eben nicht das bürgerlich aufgeklärte, sondern ein diffuses rassisch-völkisches, gestützt auf das gesunde Volksempfinden. So bilden die beiden Zitate keinen Widerspruch, sondern ziehen an einem Strang. Weiterlesen

Victor Klemperer: 1. Zur Person

„Das Schicksal der Hitler-Bewegung liegt in der Judensache. Ich begreife nicht, warum sie diesen Programmpunkt so zentral gestellt haben. An ihm gehen sie zugrunde. Aber wir wahrscheinlich mit ihnen.“ V. Klemperer: Ich will Zeugnis ablegen…, S. 25

Victor KlempererDiese Worte notierte Victor Klemperer am Dienstag, 25. April 1933, in seinem Tagebuch. Victor Klemperer, geboren am 9. Oktober 1881 in Landsberg/Warthe und gestorben am 11. Februar 1960 in Dresden, lehrte von 1920 bis 1935 an der Königlich Sächsischen Technischen Hochschule französische Literatur.

Am 30. April 1935 erhält Klemperer die Mitteilung über seine Entlassung aufgrund von §6 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Ab Ende 1935 steht er damit auf der Straße, finanziert durch eine schmale Pension von 400 Mark im Monat (sein Gehalt betrug 800 Mark). Weiterlesen

Neue alte Geschichte(n)

Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten - Tagebücher 1933-1945Gute Dinge kommen wieder. So geschehen mit einigen meiner alten Studienarbeiten aus dem Fach Geschichte. Sie sind vielleicht selbst schon ein Stück Geschichte – wenn auch nur meine eigene. Die Texte basieren vielleicht auf Quellen, die nicht mehr ganz taufrisch sprudeln. Dennoch möchte ich sie auf diesem Weg mit der Allgemeinheit teilen. Ganz taufrisch ist allerdings die Rubrik Geschichte in meinem Blog. Ich habe sie eigens für die alten Arbeiten eingerichtet.

Den Anfang macht eine Arbeit aus dem Sommersemester 1995. Entstanden im Seminar „Grundprobleme politischer Systeme: der Rechtsstaat“.

Thema: Victor Klemperer und der Niedergang des Rechtsstaats nach der Machtergreifung

Im Mittelpunkt des Referats und der Arbeit stand Victor Klemperers Werk „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten – Tagebücher 1933-45“. In seinen Tagebüchern hielt der Dresdner Professor den Niedergang von Recht und Gesetz fest und protokollierte Deutschlands Abstieg in die Barbarei des Nationalsozialismus. Wie erlebte und überlebte ein Jude in Deutschland diese Epoche? Wer Victor Klemperer war, erfahren wir im nächsten Beitrag.

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