Opel stirbt, aber keiner will es den Opelanern sagen. Keiner will 25.000 Wählerinnen und Wählern sagen, dass der Staat wohl kaum Steuergelder in Höhe von 3 Milliarden Euro in ein Unternehmen mit fragwürdiger Zukunft investieren wird. Hinzu kommt, dass Opel sicher stellen muss, dass kein deutscher Steuergroschen in den Kassen der Konzernmutter General Motors (GM) in den USA verschwindet. Kann das gelingen? Schauen wir uns die Argumente an, die gegen die Finanzspritze an Opel sprechen:
1. Opel gibt es nicht.
Opel ist seit 1929 Teil des GM-Konzerns. Mit Haut und Haaren. Das deutsche Unternehmen besitzt keine eigenen Patente. Es kauft über GM Teile ein. Opel auf die eigenen Füße zu stellen, müsste bedeuten, das Unternehmen neu zu gründen. Das ist es, was Vorstand und Aufsichtsrat derzeit verzweifelt versuchen. Opel müsste eigene Zulieferer finden, es müsste die Vertriebsstrukturen entflechten. Ein teures Vorhaben. Opel kann sich aber nur am Markt halten, weil die Autos billiger sind als die besser beleumundeten von Volkswagen. Damit kommen wir zu Punkt 2.
2. Opels Ruf ist dahin
Opel hat mit dem Insignia jetzt gerade zum ersten Mal ein interessantes Modell herausgebracht. Ansonsten zehrt das Unternehmen von längst vergangenem Ruhm. Rekord, Kadett und Admiral standen bis in die 70er Jahre als Inbegriff der Zuverlässigkeit – aber auch der Langeweile. Dann zogen andere Hersteller verarbeitungstechnisch an den Rüsselsheimern vorbei. Opel blieb als Rostlaube auf der Strecke. Erst in den 1990er Jahren begann Opel, dagegen anzukämpfen. Opel hat den Anschluss an VW und Ford verloren, kann aber im Preis nicht mit Dacia, Fiat oder Daihatsu konkurrieren.
3. Opel ist zu klein
Opel beschäftigt in Deutschland ganze 25.000 Mitarbeiter. Wenn noch ein paar Leute gehen müssen, dann wird man Opel nur noch als Mittelständler führen können. Doch selbst mit diesen geringen Kapazitäten Produziert das Unternehmen weit über Nachfrage. Wer Opel vor diesem Hintergrund als gesundes Unternehmen sieht, traut auch der SPD einen sicheren Wahlsieg bei der nächsten Bundestagswahl zu. Wie soll eine kleine Klitsche auf dem härtesten Automobilmarkt der Welt bestehen – in Europa? Opel müsste den Sprung ins Premium-Segment schaffen. Ist das realistisch?
4. Was wird GM dazu sagen?
Betrachten wir das Problem aus der Sicht der Konzernmutter: GM soll Opel in eine Art Selbstständigkeit entlassen, obwohl die deutsche Tochter einen Großteil der Entwicklungsarbeit für den gesamten Konzern leistet. GM soll zusehen wie die Europäer Opel, Saab und Vauxhall mit Milliardenbeträgen retten, selbst aber die Finger von den dort hinein gepumpten europäischen Steuermilliarden lassen. GM soll Opel alle Produktionsanlagen überlassen und noch akzeptieren, dass die Deutschen weiterhin über sie Fahrzeugteile einkaufen. Zu Deutsch. Die Amerikaner sollen alles tun und lassen, sollen geldwerte Vorteile aus der Hand geben, um Opel zu retten. dabei stehen sie selbst vor dem Aus.
5. Opel, und dann?
Wie wir gesehen haben ist Opel nicht groß. Ganz sicher käme ein Aus der Produktion für jeden einzelnen der Standorte einer Katastrophe gleich. Dennoch: Wenn man Opel auf Kosten der Steuerzahler rettet, dann wird sich dahinter eine lange Schlange der Bittsteller bilden. Wer wollte Schaeffler dann noch Steuergeld verweigern? Wer wollte der deutschen Pornoindustrie eine Absage erteilen, die ebenfalls schon angefragt hat?
[Update]6. Opel erinnert sich nur an Deutschland, wenn Not am Mann ist
Nach einem Bericht des Handelsblattes hat Opel in neuerer Zeit keinen Cent Steuern in Deutschland gezahlt. Die Gewinne sollen als Lizenzgebühren auf die Konten der Mutter GM gebucht worden sein. In Deutschland hat Opel bislang nur die Verluste steuerlich abgesetzt.[/Update]
Opel und die Politiker wollen jetzt gemeinsam auf die Suche nach privaten Investoren gehen, die den maroden Autohersteller wenigstens teilweise übernehmen. Aber wie sollten private Investoren ein solches Unterfangen finanzieren, wenn die Banken keine Kredite mehr heraus rücken? Und warum sollte sich ein privater Investor an dem Abenteuer beteiligen? Wo doch völlig unklar ist, wieviel er mitreden darf. Wir erinnern uns: Opel ist keine AG, bei der exakte Stimmrechte handelbar sind.
28. Februar 2009 — 22:37
Mal abgesehen von den Argumenten, die Du anführst (und die ich allesamt für zutreffend halte), basiert eine mögliche Rettung auf der Annahme, das es sich um eine vorübergehende Absatzkrise handelt. Und das ist meines Erachtens ein Irrtum. Das erinnert mich an die Steinkohlensubventionen, die sich über Jahrzehnte hinschleppten.
Es sind deutliche Überkapazitäten in der Kfz-Herstellung vorhanden, die durch die derzeitige Krise sehr brutal offen gelegt werden, aber auch ohne die Finanzkrise zu Problemen geführt hätten. Es mag noch einmal ein Aufflackern geben, wenn Subventionen (und das sind die Maßnahmen, über die jetzt diskutiert wird ja letztlich) gezahlt werden, aber das war es dann auch.
1. März 2009 — 13:00
Vielen Dank, Zeitcollector,
das habe ich noch vergessen, zu erwähnen. Die Zeit, in der die meisten von uns sich alle drei Jahre ein neues Auto geleistet haben, sind schon vor der Finanzkrise vorbei gewesen.
2. März 2009 — 00:36
Super und einleuchtend geschrieben Wolff! Ich finde es immer wieder schade, dass in diesem Fall die Opelmitarbeiter nicht über den Tellerrand hinausgucken können und Hilfe von der Bildzeitung und dem Weihnachtsmann – äh – Frank Walter Steinmeier erwarten.
4. März 2009 — 21:55
Danke sehr, Tom. Ich finde das Spiel tatsächlich entwürdigend. Ich glaube nicht, dass die Opelaner selber wissen, wie schlecht es um ihre Firma bestellt ist. Nach meinem Eindruck, versucht die Politik die Sache zu verzögern bis entweder die Amis GM gerettet haben oder die Bundestagswahl vorbei ist.
11. März 2009 — 04:22
hallo allen
nun ich verfolge die ganze geschichte um opel auch, mein exmann arbeitet in eisenach seit über 10 jahren und die bange bald arbeitslos zu sein ist groß
die opelaner wissen sicherlich um den schlechten stand ihres arbeitgebers bescheid aber was sollen sie denn ausrichten… haben sie ein mitspracherecht? sicher nicht
tatsache ist dass opel in eisenach wieder volle schichten fährt, aber liegt es an aufträgen die durch abfrackprämie da sind? keine ahnung
tatsache ist wenn opel untergeht dann tut es mir für alle opel fahrer leid… schließlich gibt es in ein paar jahren dann keine teile mehr zu kaufen.. so kams ja schon im tv
achjaa und ich glaub auch nicht dass unsere politik solange warten kann bis wahlen vorbei sind, selbst glaub ich nicht dass sie mit der rettung von opel oder anderen firmen ein wahlprogramm führen können .. wenn man den vorhersehungen von manchen leuten glauben schenkt…wird opel nicht mal bis zur wahl durchhalten
zum thema GM … nun die sind selbst sehr angeschlagen und somit wird opel (wohl das beste zugpferd von GM) sicher nicht für nen appel und nen ei verkauft.. denen ist es doch egal was aus den opelanern wird und noch mehr egal sind die zulieferfirmen.. also wird opel so teuer wie möglich verkauft und somit wird es wiederum schwer weil wer kauft so eine firma mit umsatzproblemen.. ein immer wiederkehrender kreislauf
manchesmal denke ich dass nur geredet wird und nicht wirklich gehandelt
11. März 2009 — 22:09
Hallo Mystasia,
ich verstehe die Opelaner sehr gut, die um finanzielle Unterstützung kämpfen. Der Feind ist aber nicht die Politik. Die Politik muss über Steuergelder entscheiden. Sie betont darum zurecht, dass das Geld auf keinen Fall an die GM-Zentrale fließen darf. Der Feind ist das eigene Management.
Ich freue mich, dass Opel-Eisenach eine Atempause bekommt, weil der Corsa über die Abwrackprämie gut läuft. Ich kann aber nicht erkennen, dass Opel der Gewinnbringer ist, der es laut Betriebsrat und SPD sein soll: Der Finanzpresse entnehme ich, dass GM in Europa im vergangenen Jahr fast drei Milliarden Euro Verlust gemacht hat. Zum Beispiel hier. Bei solchen Summen kann Opel kein Gewinnbringer sein. Andererseits weiß kein Mensch, wie hoch Gewinne oder Verluste bei Opel tatsächlich sind, weil Gewinne ja stets sofort nach USA abgeflossen sind, während man hier die Verluste steuerlich geltend machte. Eine Frage mehr, bei der man dem GM-/Opel-Management nicht über den Weg trauen sollte.
Die Frage ist nicht, ob die Bundesregierung Opel Geld geben sollte oder nicht. Die Frage ist, ob sie es kann, ohne dass das Geld nach USA abfließt und Opel im nächsten Jahr trotzdem Pleite geht. Wie ich ausgeführt habe, ist Opel so fest in die Konzernstruktur von GM eingebunden, dass man genau genommen nicht von einer eigenen Marke sprechen kann, sondern nur von GM-Produktionsstätten in Europa.
Ob eine Herauslösung von Opel möglich sein wird, wird stark davon abhängen, ob sich ein privater Investor findet, der sich daran beteiligt.
Andererseits korrigiert das GM-Europa-Management die Zahl der Arbeitsplätze, die man retten kann, nach unten. Ich finde, das Geld, das Opel haben will, sollte man einsetzen, um die Folgen einer Insolvenz für die Arbeiter, ihre Familien und für die betroffenen Regionen abzumildern.
5. April 2009 — 13:51
Ich kann nicht nachvollziehen das sich deutsche Opellaner so viele Jahrzehnte haben über den Tisch ziehen lassen. Nicht nur Opelpatente haben die Amerikaner an den amerikanischen Staat verhökert, sondern auch noch das komplette Rüsselsheimer Fabrikgeländer samt Fertigungshallen, sprich alle Gebäude. Da genügen auch keine 40 Milliarden Euro, um alles zurück zu kaufen. Die Amerikaner sind ganz einfach dir größten Verbrecher, die man sich vorstellen kann.
5. April 2009 — 21:37
@miller:
Ich kann dir nicht zustimmen. Andere Konzerne tilgen die Markennamen von Firmen, die sie übernehmen. GM tut das nicht, sondern vermarktet seine Autos weltweit unter ganz verschiedenen Markennamen. Der Insignia wird in Großbritannien als Vauxhall verkauft und in China wahrscheinlich unter einem weiteren Namen. Und noch etwas: Den Insignia hätte keine der GM-Marken allein entwickeln können. Die Opelaner sind nicht dumm, sie haben nie eine andere Wahl gehabt, seit Adam Opel sein Unternehmen verkauft hat. Seit 1929 hätte Opel auch GM-Deutschland heißen können.