Ich gebe zu: Ich habe den Eurovision Song Contest 2023 nicht gesehen. Ich kann also nicht beurteilen, ob der deutsche Beitrag, Lord of the Lost, schon die größte Geschmacksverirrung war, die das europäische TV-Publikum an diesem Abend zu überstehen hatte. Ich bezweifle dennoch, dass die Aufregung über den letzten Platz im Wettbewerberfeld mit Musik zu tun hat.

Rocky Horror Picture Show meets Tabaluga

Melodic Metal mit einer Bühnenshow aus Rocky Horror Picture Show und Tabaluga! Im Ernst? Was haben wir denn gedacht, was dabei herausspringt? Wo sollen denn unsere leidgeprüften Nachbarn mit ihren Stimmen hin? Am Montag nach dem ESC liegt Deutschland noch im Kater und Einige fordern einen Boykott. 400.000 Euro zahlt die ARD schließlich jedes Jahr für diese Veranstaltung. Kann man das Geld nicht besser für Kitas ausgeben, fragt da ein gewisser Gildo Horn? Könnte man. Würde für ein Jahr die laufenden Kosten einer Kita decken, oder?

Was, wenn Lord of the Lost doch nicht das Schlimmste wäre?

Wie gesagt: Lord of the Lost zu unterbieten, war sicherlich nicht leicht. Dennoch will ich nicht ausschließen, dass dem einen oder anderen Wettbewerbsbeitrag dies gelungen ist. Ich habe – wie eingangs angemerkt – dieser medialen musikalischen Tiefflugübung nicht beigewohnt. Die zigste Wiederholung von „The Fog – Nebel des Grauens“ auf Tele5 schien mir kulturell gehaltvoller. Aber ehrlich? Ich hätte sogar eher irgendeinen Crocopiranha vs. Sharksaurus-Mist geschaut. Ich bin mit dem Qualitätsanspruch des ESC aus leidvoller Erfahrung vergangener Jahre bestens vertraut.

Aber nehmen wir einmal an, dass Lord of the Lost tatsächlich der am wenigsten unerträgliche Beitrag gewesen sein könnte (Wem wäre das zuzutrauen, wenn nicht dem ESC?). Dann wäre das Image unseres Landes im europäischen Ausland so unfassbar mies, dass es unsere Nachbarn davon abhielte, ihre Stimmen den musikalischen Erlösern in Gestalt von Lord of the Lost zu Füßen zu legen. Das schlechte Abschneiden von Lord of the Lost hätte dann gar nichts mit Musik zutun. Die Aufregung darüber in Deutschland, aber auch nicht.

Dass man das Abschneiden beim ESC in TV-Deutschland so tief tragisch nimmt, sollte uns zu denken geben. Vielleicht schneiden unsere ESC-Beiträge ja besser ab, wenn wir etwas weniger verkrampft damit umgehen? Hat das nicht schon einmal jemand versucht? Ein gewisser Stefan Raab war das doch, oder? Hieß die letzte Künstlerin, die der zum ESC geschickt hat, nicht Lena Meyer-Irgendwas? Wie ist die damals eigentlich angekommen?