Wenn die Doofen Bücher schreiben

Als wir Michelle erzählen, dass wir an einem Buch mit dem Titel Generation Doof schreiben, tritt ein Leuchten in ihre glasigen Augen. „Weissich“, meint sie und stößt kurz auf. „Hat mir Aamin schon erzählt. Musstich gleich lachen.“ Das freut uns natürlich, aber wir wollen nun doch wissen, warum sie das so lustig findet, „Na, ich fanden Titel so komisch“, erklärt sie. „Wie schreibtn ihr das? Doof wie blöd, oder so wie die Seife?“

generation_doof.pngWer gern über geistige Ausrutscher wie den von Michelle lacht, findet im fertigen Buch „Generation Doof“ viel Anlass zu Heiterkeit. Stefan Bonner und Anne Weiss berichten von Miss Märkisch-Oderland, die Polen in der Nordsee vermutet und von einem namentlich nicht genannten Jugendlichen, der nicht in der Lage ist, zu sagen, aus welchen Ländern die Staatschefs von England oder Amerika kommen, und nicht weiß, in welchem Land der Irak-Krieg stattgefunden hat.

In einer ebenso kurzweiligen wie lang gezogenen Freak-Show lassen Bonner und Weiss die Symptomträger einer verlorenen Generation an uns vorbei defilieren. Nach Jahrhunderten des Anstiegs beim durchschnittlichen Intelligenzquotienten, befinde sich dieser seit Ende der 1990er Jahre im Sinkflug. belehren die Autoren den Leser. Unwissenheit gilt der Generation Doof als Zierde und Hartz IV als erstrebenswertes Lebensziel. Die Gründe liegen auf der Hand: Viel zu laxe Erziehung und mieses Schulsystem. Das klingt nach dem Kulturpessimismus, den man von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) gewohnt ist, wenn es um die heutige Jugend geht.

Doch damit tut man den Autoren unrecht. Erstens urteilen sie nicht altklug über ihre Generation, und zweitens kommen sie zu überraschenden Erkenntnissen. So nehmen sie sich einer Klage an, der sich wohl viele Lehrer lautstark anschließen könnten. Dass nämlich die Schüler reihenweise Automarken mit allen technischen Details aufsagen können, an einfachen Englich-Vokabeln hingegen scheitern. Bonner und Weiss stellen klar: „Über ein solches Wissen [gemeint sind die Automarken, nicht die Englisch-Vokabeln] muss man verfügen, um in einer Gruppe hoffnungsfroher Jungproleten als Alphatierchen anerkannt zu werden, daraufhin die schärfste Schnitte abzuräumen und so für den Fortbestand der Art zu sorgen.“

Diesen erfrischenden Ansatz denkt das Autoren-Duo aber nicht weiter. Schon wenige Sätze später verfallen sie in FAZ-Feuillton-Klagen über den Untergang des Abendlandes, weil die Jugend Shakespeare und Goethe nicht mehr liest. Angeblich sollen das frühere Generationen noch getan haben.

Erschwerend kommt hinzu dass Bonner und Weiss zwar lustvoll aufs deutsche Bildungssystem eindreschen, aber keinerlei Lösungsansätze darstellen. Sicher: Das wäre viel zu trocken. Und für einen gelungenen Gag ist den Schreibenden aus der Mitte der Generation Doof fast jedes Mittel recht. Da schimpfen sie über die Eltern der Generation Doof, diese hätten ihre Kinder überbehütet und verhätschelt. An anderer Stelle werfen sie Mutti und Vati vor, sie hätten ihre Kinder aus purem Desinteresse vernachlässigt.

Fazit: Generation Doof ist reich an kurzweiligen Geschichtchen. Es bietet dem einen oder anderen vielleicht den einen oder anderen Denkanstoß, aber dann ist auch schon Schluss. Es ist ein Buch von der Generation Doof für die Generation Doof – auch für dich und mich. Die Generation Doof, das sind wir alle. Denn Bonner und Weiss geht es nicht um soziologisch trennscharfe Abgrenzung von Geburtskohorten, sondern um lustvolle (Selbst-) Demontage.
Stefan Bonner und Anne Weiss: Generation Doof, Bastei Lübbe, 335 Seiten, ISBN: 978-3-404-60596-5, 8,95 Euro.

Kategorien: Ansichtssache, Feuillton

3 Kommentare

  1. Hoffen wir, das dies der letzte Titel ist, der auf ‚Generation‘ rumreitet. Ist ja ein schöner Abschluß der Generationenliste! 😉

  2. Es scheint ein interessanter Lesestoff zu sein. Vor Jahren sprach man von Jugentlichen der ‚Null-Bock-Generation‘. Ihr Verhalten und ihre Ansichten zeigten sich dementsprechend. ‚Doof-Generation‘ muss ja nicht heißen, dass sie wirklich ‚doof‘ im klassischen Sinne sind. Sie haben nur ihre Prioritäten anders gesetzt. Dinge, die der älteren Generation wichtig sind, halten junge Menschen, oder die heutige Generation für unwichtig. So verschiebt sich einiges.

  3. @Marco Richter:
    Da stimme ich dir hundertprozentig zu. Die AutorInnen argumentieren wie gesagt passagenweise in die gleiche Richtung, verfallen dann aber immer wieder in das übliche „Was-wird-aus-unserem-Goethe“-Lamento, das man aus den konservativen Feuilltons kennt.

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