Kategorie: Ansichtssache

Die Welt aus meiner Sicht

Kein Argument für Ballerspiele

Noch bevor der letzte Schuss in den Fluren der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Emsdetten verklungen war, begann der ritualisierte Diskurs über gewaltverherrlichende Computerspiele. Politiker mit Hang zur Vereinfachung fordern ein Verbot der fraglichen Spiele. Wissenschaftler und Experten mit einem Hang zur Intellektualisierung sagen: Es liegt nicht an den Spielen, die kommen nur zu den sonstigen Umständen hinzu. Man kennt die Debatte aus dem Amoklauf in einer Erfurter Schule, 2002. Ich bin für ein Verbot dieser so genannten Ego-Shooter.

Warum? Schließlich haben beide Amokläufer schwarze Mäntel getragen. Soll man die auch verbieten? Seit 2003 haben die Spielehersteller eine Art Freiwilliger Selbstkontrolle. Und? Hat das die Tat von Emsdetten verhindert? Und überhaupt: Dass die Jugendlichen so erschreckend leicht an Waffen kamen, ist doch der eigentliche Skandal. Außerdem muss man doch die gesamte Lebenssituation der Jugendlichen sehen, die beide isoliert lebten.

Die Antwort: Dass Computerspiele möglicherweise zur Verrohung unserer Jugend beitragen, streitet niemand ab, schwarze Mäntel tun das nicht. Wenn Spiele wie das fragliche Counterstrike noch im Handel sind, dann beweist das letztlich nur, dass die Selbstkontrolle der Industrie versagt. Und jetzt kommt das unsinnigste Argument: Wir haben nämlich die strengen Waffengesetze, weil Waffen gefährlich sein können. Es befinden sich etliche Feuerwaffen in Privatbesitz – auch in Deutschland. Die meisten finden nicht bei Amokläufen Verwendung. Das Waffenverbot gibt es nur, weil die Möglichkeit besteht, damit Menschen zu töten.

Das ist mein Argument für ein Verbot von gewaltverherrlichenden Spielen: Es besteht die Möglichkeit, dass sie den Jugendlichen schaden. Die Forderung nach einem Beweis für die Gefahr, die von Gewalt- und Ballerspielen ausgeht, stellt eine Umkehr der Beweislast zugunsten der Industrie dar. Vielleicht lässt sich dieser Beweis auch aus Emsdetten nicht antreten, aber es spricht nicht die kleinste Kleinigkeit gegen ein Verbot von Ego-Shootern. Wenn all die liberalen Gutmenschen, die sich jetzt zu Wort melden, für Lebensumstände gesorgt haben, in denen alle Jugendlichen seelisch und sozial gefestigt solchen Frontalangriffen auf den guten Geschmack gegenübertreten können, dann kann man die Spiele wieder erlauben.

Zum Geburtstag eine böse Überraschung

Die Australier werden Fremdsprachen lernen müssen, oder bei Geburtstagen künftig die Klappe halten. Grund ist das derzeit wohl rigideste und unsinnigste Urheberrecht auf diesem Planeten. Einmal „Happy Birthday“ singen kostet demnächst umgerechnet 800 Euro. Das berichtet Golem. Das englische Geburtstagslied steht noch bis 2030 unter Urheberrechtsschutz. Wer das Lied außer unter einer gut schallgedämmten Dusche singt, führt es öffentlich auf. Apropos Fremdsprachen: Das Singen von „Zum Geburtstag viel Glück“ dürfte die Sache nicht wesentlich entschärfen. Die Melodie bleibt ja die selbe.

Schießen und Sterben lernen

Während Amerikaner, Kanadier, Niederländer und Briten im Kugelhagel der Taliban sterben, setzt den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan eher die Langeweile zu. Das wird sich wohl bald ändern: Wie der Deutschlandfunk heute berichtete, wird der Druck auf die Bundesregierung größer, die Bundeswehr auch im umkämpften Süden von Afghanistan einzusetzen. Damit nähert sich die Stunde der Wahrheit für eine verlogene deutsche Großmachtpolitik. Wie gut erinnern wir uns noch, wie ernst, staatstragend und gewichtig unsere Außenminister von Kinkel bis Steinmeier oder unsere Kanzler von Kohl bis Merkel ausgesehen haben, wenn sie uns mal wieder einen Auslandseinsatz der Bundeswehr angekündigt haben. „In der Stunde der Not, können wir uns nicht verweigern, wenn man uns fragt“; hieß es in wechselnden Formulierungen aus den Reihen unserer politischen Klasse. Dabei versäumten sie nie, die Bedingungen so festzuzurren, dass deutsche Soldaten lediglich Verbandmull spazierenfahren oder in Kabul den Verkehr regeln. Letztlich war man sich immer sicher, dass deutsche Soldaten eine Infektion mit Geschlechtskrankheiten mehr zu fürchten hätten als eine feindliche Kugel. Jetzt fordern unsere Partner echte Solidarität, auch beim Schießen und Sterben. Beides werden deutsche Soldaten von jetzt an lernen müssen.

Noch keine Täter, aber schon ein Mittäter

Wie muss man sich die Szenerie vorstellen, im Gerichtssaal?


Bundesgerichtshof:
Angeklagter! Bekennen Sie sich schuldig, am Mord in 3000 Fällen mitgewirkt zu haben?


Mounir al Motassadeq:
Moment! Woher sollten wir denn wissen, wie viele Leute da schon waren, in den Twin Towers? Es war doch nicht mal Neun! In der arabischen Welt hat man da noch nicht einmal die Zahnbürste im Mund.


BGH:
Mit wie vielen Todesopfern hatten Sie denn gerechnet?


Motassadeq (überlegt):
Naja, wenn Sie mich so fragen: 200?

BGH: Wie bitte!? 300!

Motassadeq: 240!

BGH: 250!

Motassadeq: 246!

BGH (etwas genervt): Also gut: Beihilfe zum Mord in 246 Fällen. Zum Ersten, zum Zweiten und … zum Dritten!

Ganz nebenbei hat der Bundesgerichtshof ein Stück Rechtsgeschichte geschrieben, als er den Marokkaner Mounir al Motassadeq wegen Beihilfe im Fall der Anschläge vom 11. September 2001 in New York verurteilte. Noch nie ist jemand in Deutschland wegen Beihilfe zu einem Verbrechen verurteilt worden, für das noch kein Täter verurteilt worden ist. Gemäß dem Motto: Wir wissen zwar noch nicht, wer’s war, aber wer ihm geholfen hat, das wissen wir genau! Seit die einzige Supermacht paranoid geworden ist, ist ein bisschen Guantánamo überall.

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