Rock Swings, behauptet Paul Anka auf diesem Album

Rockklassiker im Swingsound? Reicht es nicht, dass die Songs unserer Jugend immer wieder von geschäftstüchtigen Geigern (David Garrett) oder grölenden Männerchören (Santiano) durch die Mangel gedreht werden? Mir nicht. Deshalb ist „Rock Swings“ von Paul Anka ein weiterer Tipp von mir für die Quarantäne, den Lockdown oder die einsame Insel.

Der Name Paul Anka steht beim einen für die Vorhölle der Schnulzenheinis, nur einen Schritt vor Barry Manilow – oder einen dahinter. Für den anderen zählt Paul Anka zu den letzten großen Croonern, die die Fackel der großen Swing Orchester tragen. Wenn er und Tony Bennett einst dahingeschieden sind, geht ein Stück Musikgeschichte zuende. Über das Gesamtwerk von Paul Anka haben sicher beide Ansichten ihre Berechtigung. Für „Rock Swings“ von 2005 sollten wir uns allerdings auf letztere Sichtweise verständigen können.

Von VGA zum 4K-Erlebnis

„Rock Swings“ von 2005 hat das Zeug, die einen zu überzeugen und die anderen zum Schwärmen zu bringen. Ja, hier tragen ausgetüftelte Bigband-Arrangements eine große Stimme, deren Besitzer 2005 schon das Renteneintrittsalter erreicht hatte. Nichts anderes sollte man von einer Aufnahme erwarten, die den Namen Paul Ankas trägt. Nicht alle Stücke sind gelungen, aber keins davon schmachtet der Meister lieblos dahin. Die Arrangements ergründen die Stimmung eines Songs und übersetzen quasi auf die große Leinwand in 4K, was vorher ein Indepententfilm im VGA-Format war.

„Wonderwall“ von Oasis, schon im Original eine Hymne mit Bombastpotential, wächst mit opulenten Bläsern und Streichern zur Chinesischen Mauer aus Klang. Van Halens Aufforderung „Jump“ zündet im Bigband Sound die Nachbrenner und bekommt gleichzeitig jene Portion Lässigkeit, die man nur im Swing findet. „It’s a Sin“ von den Pet Shop Boys gewinnt im Latinjazz-Modus eine Nachdenklichkeit und Dramatik, die dem Song im simplen Synthiepopgewand fehlt, zum Inhalt aber perfekt passt. Den Pet Shop Boys würde es gefallen.

Natürlich eignen sich Songs wie „True“ von Spandau Ballet, „Hello“ von Lionel Richie oder „It’s My Life“ von Bon Jovi als Swingnummern. Sie teilen mit dem Jazz die harmonischen Wurzeln im Blues. Am Grunge haben sich Ankas Arrangeure allerdings die Zähne ausgebissen. Soundgardens „Black Hole Sun“ und Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ klingen bemüht, unentschlossen und irgendwie ratlos. Im zeugnisdeutsche: Sie waren stets bemüht. Und das Ergebnis ist zumindest interessant.

Beweis erbracht: Rock Swings!

Einige Arrangements gewinnen den Songs tatsächlich mehr ab als das Original vermuten lässt. Hier wäre auch „Eye of the Tiger“ zu nennen. Andere Songs zeigen im neuen Gewand, dass sie aus den Trompeten einer Bigband genauso gut klingen wie aus den Seiten einer E-Gitarre oder dem Pupsen eines Synthesizers. Nur wenige Songs beweisen auf Rock Swings, dass man sie nicht covern darf. Man sollte sie hören, wie ihre Schöpfer sie uns hinterlassen haben.

Zum Abschluss noch ein Angebot zur Versöhnung an alle Freunde von geschäftstüchtigen Geigern und grölenden Männerchören. Ich habe natürlich gar keine Ahnung, wie ihr die Coversongs eurer Lieblinge bewertet, denn letztlich ist das alles Geschmacksfrage.