tal_der_woelfe.pngFrüher schlug er sich mit Nazis herum und mit finsteren indischen Thugs, heute ringt Harrison Ford alias Indiana Jones mit bösen Sowjets um das Geheimnis der Kristallschädel. Seinen besonderen Reiz teilt der berühmteste Archäologe der Filmgeschichte mit alten James-Bond-Filmen. Einfache Gut-Böse-Schemata machen das Denken überflüssig. Die schärfste Waffe der Vereinigten Staaten von Amerika um die Vorherrschaft auf dem Planeten ist nicht die Atombombe, sondern Hollywood. Das starke amerikanische Kino weist Übeltäterrollen analog denen in der amerikanischen Gesellschaft zu.

So begannen in den späten 1980er Jahren vor allem Lateinamerikaner die Russen als Filmfinsterlinge abzulösen. Es war die Zeit der Drogenkriege. Die Latinos behielten ihre Rolle als Bösewichter bis sie in den 1990er Jahren von den Muslimen abgelöst wurden. Die Feindbilder wechselten im Film wie in der Gesellschaft, die Amerikaner blieben, was sie immer waren: die Guten. Europäisches Kino mit seinen sehr viel weniger eindeutigen Schwarzweiß-Schemata hatte es schwer. Zu kompliziert für den Massengeschmack, nicht nur in den USA.

Szenenwechsel: Irak. Im US-Knast Abu-Ghuraib in Bagdad entnimmt ein jüdischer Arzt Gefangenen Organe und verscherbelt sie nach New York, London und Tel Aviv. Ein Handlugsfaden im türkischen Film „Tal der Wölfe“ von 2006. Antiamerikanisch, antisemitisch, antikurdisch, aber heroisierend für die Türken. Natürlich regte sich die ganze Welt über die platten Gut-Böse-Klischees auf. Man darf sich fragen, ob dieser Vorwurf stichhaltig ist, wenn er aus einem Land kommt, in dem viele Einwohner glauben, dass in Europa noch Krieg herrscht, weil sie die Welt jenseits der eigenen Landesgrenzen nur aus platten Kriegsfilmen kennen.

Der Inhalt von „Tal der Wölfe“ soll auch hier nicht zur Debatte stehen, und für die Diskussion im vorvergangenen Jahr spielte dies auch keine Rolle. Was die Gesellschaften in Europa und den USA damals bis in politische Kreise erschreckte, war die Machart des Films. „Tal der Wölfe“ ist ein klassischer Actionfilm vor dem Hintergrund des Irakkriegs und mit einem Budget von 8 Millionen Euro die bisher teuerste türkische Filmproduktion. In der Türkei wurde er ein Hit, in Deutschland kam er laut Wikipedia unter die Top Ten der erfolgreichsten Filme des Jahres. Der damalige bayerische Ministerpräsident forderte die Kinos auf, den „antiwestlichen Hass-Film“ abzusetzen. Der amerikanische Kulturkreis sah sich plötzlich in der Defensive. Dabei ist „Tal der Wölfe“ lediglich ein Warnschuss. Was passiert, wenn sich Bollywood, die produktivste Filmindustrie der Welt, auf politische Themen einschießt?

„Tal der Wölfe“ hat gezeigt, dass Hollywoods Actionspektakel so simpel gestrickt sind, dass man sie auch am Bosporus drehen kann. Was passiert, wenn aufstrebende Schwellenländer wie Brasilien oder China dieses Strickmuster adaptieren? Was wird, wenn sie sich die Freiheit nehmen, eigene Feindbilder zu vermitteln? Dass dies passieren wird, ist keine Frage, sondern nur: Wann? Wer geglaubt hatte, die Welt habe nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen langzeitstabilen Zustand erreicht, der muss nicht „Tal der Wölfe“ nicht selbst ansehen, um zu wissen, dass der von den Scorpions besungene „Wind Of Change“ nicht der letzte war, der die Geschichte umgeschrieben hat.

Ein Hauch von Wechsel umweht auch Geschehnisse wie jene um „Tal der Wölfe“.