Autor: Wolff von Rechenberg

Buchtipp: Eliot Pattison – Der fremde Tibeter

der_fremde_tibeterTibet: Die Zwangsarbeiter der 404. Sträflingskolonne sollen eigentlich eine Straße im Himalaya bauen. Doch dann bringt etwas die Bauarbeiten zum Stillstand. Arbeiter finden eine Leiche ohne Kopf. Einer aus ihren Reihen bekommt nun seine zweite Chance. Shan war Ermittler in Peking, bevor er in Ungnade fiel. Nun muss er einen Mord an einem hochrangigen Beamten aufklären: Wie kam Ankläger Jao so kopflos in die Einöde? Dabei verwickelt er sich in einen Wettlauf mit dem Stellvertretenden Ankläger Li: Was hat der zu verbergen?
Eliot Pattison versetzt in seinem Roman „Der fremde Tibeter“ seinen Leser in eine ebenso ungewohnte wie unwirtliche Gegend: aufs Dach der Welt, nach Tibet. Shan muss sich mit dem Dämonenglauben der Tibeter herumschlagen und mit einer ebenso bürokratischen wie korrupten Staatsmacht. Pattison bringt seinem Publikum den Buddhismus näher, ohne sich allzu sehr der Dalai-Lama-Romantik hinzugeben. Er lässt die Konflikte in einem tiefreligiösen Land unter sozialistisch-atheistischer Fremdherrschft offen zu Tage treten. Er entwickelt seine Charaktere glaubhaft, widersprüchlich, eben greifbar menschlich. Er lässt Feinde zu Freunden werden, und zeigt im Kleinen, dass Chinesisches und Tibetisches nicht grundsätzlich unvereinbar sind. So weit, so lesenswert. Nur eines schafft er nicht: eine gute, spannende Geschichte zu erzählen. Kapitelweise lässt er seinen Helden Shan durch den Aberglauben der Tibeter irren, lässt Politik und Religion, Sanftmut und Rücksichtslosigkeit aufeinanderprallen. Dann, auf den letzten Seiten, fällt ihm ein, dass er fast vergessen hätte, den Fall aufzulösen. Zwischen tausend Details über buddhistische Glaubenspraxis und kommunistische Gesellschaftsordnung versteigt sich Pattison irgendwo in den Felshängen des Himalaya – und in der Handlung seines Romans.

Eliot Pattison: Der fremde Tibeter, Aufbau Taschenbuchverlag, 2003.

Telekom-Tagebuch 4: 27. Oktober 2007

Die Uhr schlug 10 und wir ließen zum zweiten Mal alle Hoffnung fahren, dass ein Techniker der Telekom vorbei schaut. Unser Versuch, einen Telefon- und DSL-Anschluss umschalten zu lassen, führte uns nun erneut in den T-Punkt. Dort bemühte sich ein überaus fleißiger Mitarbeiter eine Dreiviertelstunde, um irgendeine Information zu bekommen, wann wir mit Telefon und Internet rechnen können. Ergebnis: Am 3. November wird ein Mitarbeiter vorbeischauen, um an unserem Telefonanschluss beschäftigt auszusehen. Das bekam der freundliche T-Punkt-Mann heraus, nachdem er sich als konstruktivste Lösungsvorschläge Dinge anhören musste, wie: „Sollen die doch von der alten Wohnung telefonieren.“ Er war loyal genug, uns diesen sicherlich gut gemeinten Rat zu verschweigen. Wir haben es trotzdem gehört, liebe Telekom. Das haltet Ihr also von uns Kunden. Nach dem 3. November wird es noch etwa 14 Tage dauern, bis wir wieder Internet bekommen. Das Umschalten des Internetfernsehens ist ja sooooooooooooooooooooooo kompliziert! Merkwürdig. Bei der Anmeldung ging’s viel schneller. Da waren sie in der gleichen Woche noch da. Wir werden der Telekom außerordentlich kündigen. Liebe Telekom, so nicht! Schneidet euch mal zwei Scheiben bei eurem Personal in den Shops ab. Da könnt ihr noch was lernen.

95,5 Prozent käufliche Liebe

Ein Traumergebnis für Kurt Beck. Die ganze SPD liebt ihn. 95,5 Prozent soll er bei seiner Wiederwahl geholt haben. Da sind die Gegenstimmen garantiert namentlich bekannt: Ein gewisser Herr Steinbrück und ein gewisser Herr Müntefering… Beck hatte auch genug für das Traumergebnis bezahlt. Jetzt sollen Arbeitslose im besten Mannesalter noch ein Jahr länger Arbeitslosengeld I erhalten. Na, die werden sich freuen: Hartz IV erst ein Jahr später. Dabei besteht der eigentliche Skandal doch darin, dass Arbeitslose ab 40 als unvermittelbar gelten. Hätte man die Milliarden, mit denen König Kurt die Stimmen der Parteilinken gewonnen hat, nicht für etwas sinnvolles ausgeben? Qualifizierungsmaßnahmen? Vielleicht sogar für alle Arbeitslosen? So finanziert die Staatskasse Becks Wiederwahl. Bei den Pfälzern ist es wie bei den Äpfeln, da fällt einer nicht weit vom anderen.

Telekom-Tagebuch3: 26. Oktober 2007

In der Zwischenzeit erreichte uns die düstere Andeutung, dass unser Home-Entertainment-Paket gesondert umgeschaltet werden müsse. Das geschieht unter einer 01805-Telefonnummer. Mehrwert- oder Premiumrufnummern heißen die übrigens im Sprachgebrauch des rosa Riesen. Mir ist schleierhaft, wo für mich der Mehrwert liegen soll, und nach Premium sind vielleicht die Preise, nicht jedoch der Service der T-Com. Nach der üblichen Bandabfragen-Odyssee meldete sich eine Stimme (männlich diesmal), die mir mitteilte, dass es keinerlei Anzeichen dafür gäbe, dass tatsächlich am morgigen Samstag ein Techniker bei uns erschiene. Schon gar nicht, um unser Internetfernsehen umzuschalten. Mit leicht schrillem Unterton teilte ich mit, dass uns aber bereits ein Besuch zugesichert worden sei. Da müsse er nochmal nachfragen. Der Rest war eine Pausenmusik. 11 Minuten harrte ich der Rückkehr des Telekommannes – zu 01805-Preisen. Dann gab ich auf. Dieser Umzug macht mich so arm wie die Stadt Berlin. Leider aber nicht so sexy.

Phaenomene des Alltags: Der Coffee to go

Ich bin im Fleisch ein Kind der Sechziger, im Geiste eines der Siebziger. Und in beiden Jahrzehnten hieß es, wenn man seinen Kaffee außerhalb geschlossener Räume genießen wollte: „Draußen nur Kännchen!“ Nicht nur im beschaulichen Bad Sooden-Allendorf, das mich unter seine Söhne zählen darf. Wehe dem, der sich, die Anweisungen des Thekenpersonals missachtend, mit der Tasse ins Sonnenlicht stehlen wollte. Die Kellnerinnen, damals pausbäckige zu allem entschlossene Gestalten, stellten sich ihm in den Weg wie Sumo-Ringerinnen.

Heute würde die Bestellung eines Kännchens Kaffee in den meisten Gebieten der zivilisierten Welt zu ratlosen Blicken bei den Kellnern führen, die heute lange Schürzen anhaben und nicht mehr im Parkcafé arbeiten, sondern bei Starbucks. Draußen nur Becher, würde man heute rufen. Ach was, draußen… In dem Café am Bahnhof Alexanderplatz, in dem ich für gewöhnlich vor dem Abstieg in die Untergrundbahn noch einen Kaffee zu trinken pflege, schenkt den Türkentrank grundsätzlich im Becher aus.

Einmal wandte ich ein, ich würde den Kaffee nicht mitnehmen, sondern hier drinnen trinken. Da bekam ich den Pappbecher ohne den charakteristischen Plastikdeckel, der an die Schnabeltassen erinnert, in denen in Seniorenheimen zuweilen das Abendessen gereicht wird. Der Coffee to go ist überall. In den U-Bahnen, auf den Bahnsteigen.

Er ist selbst dort, wo er noch nicht ist: am Hauptbahnhof in Brandenburg an der Havel. Dort hasten Menschen zu den Regionalzügen, die knisternde dünne Plastikbecherchen weit von sich strecken, damit der herausschwappende Kaffee nicht die Kleidung beschmutzt – wenigstens nicht die eigene.

Als Treibstoff unserer 24-Stunden-Gesellschaft ist der Kaffee schon öfter bezeichnet worden. Aber der Bedarf nach diesem Treibstoff scheint stetig zu steigen. In Berlin liegen im Schnitt gefühlte 50 Meter von einer Zapfstelle zur nächsten. Kaum zu glauben, dass sich in dieser Stadt auch noch Kaffeemaschinen in Privatbesitz befinden sollen. Aber, was beschwere ich mich. Zähle ich doch auch zu jenen, die sich jeden Morgen so dämmerig wie die Welt ringsum in die Metropole chauffieren zu lassen. Da geht nichts ohne Kaffee. Hallo!? Kann ich noch einen Coffee to go haben? Genau zum hier Trinken!

Copyright © 2025 Wolff von Rechenberg

Theme von Anders Norén↑ ↑