Kategorie: Ansichtssache

Die Welt aus meiner Sicht

Polonium geht um die Welt

Jetzt ist Polonium in Hamburg aufgetaucht. Der Russe, so scheint es, zieht eine tödliche Spur durch Europa. Mein Opa hat das immer geweissagt, aber er ahnte nicht, dass das mit Polonium geschehen würde. Kunststück! Selbst die Londoner Ärzte des verstorbenen Ex-Agenten Litwinenko sollen anfangs nichts geahnt haben. Bis sie mal den Geigerzähler auf Visite mitnahmen.

Man fragt sich: Wie lange killt der russische Geheimdienst schon unliebsame Leute mit Polonium. Die Polen sollten jedenfalls eiligst ihren Papst (Johannes Paul II.) ausbuddeln. Mit dem Geigerzähler ist der bestimmt noch nicht untersucht worden.

Auffällig ist, dass bisher alle außer Litwinenko den Anschlag überlebt haben. Ist ja auch schwierig zu dosieren. In der Wikipedia erfahren wir, dass schon 12 millionstel Gramm ausreichen, um einen Menschen niederzustrecken. Da kann man sich schon mal in der Dosierung verhauen.

Wer kann schon 12 millionstel Gramm in sich reinschaufeln? Da sitzen also russische Atomwissenschaftler in geheimen Labors und teilen 12 Millionstelgrammportionen Polonium nochmal in kleinere Darreichungsformen und ermahnen den Geheimdienstschergen: „Gib ihm sechs Portionen, Boris, sonst hält man’s für Schnupfen!“

Kann der russische Geheimdienst, kann irgendein Geheimdienst so blöd sein, dass er es nicht schafft 12 millionstel Gramm gezielt zu verabreichen? Wie haben die eigentlich den Kalten Krieg überlebt, wenn die noch dümmer sind als James Bond erlaubt?

Aber vielleicht liegt es ja an den Opfern. Haben Fish & Chips Litwinenkos Abwehrkräfte geschwächt? Man weiß es nicht. Genauso wird man nie erfahren, ob der russische Geheimdienst FSB Litwinenko auf dem Gewissen hat, oder doch die Dissidenten, die Putin was anhängen wollen. So behauptet beispielsweise Herr Pflugbeil auf Tagesschau.de.

Emsdetten und die Ballerspiele

Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen Ballerspielen und Amoklauf. Das sagt die Electronic Sports League, ein Verband der Computerspieler. Die Verantwortung liege bei den Familien, „Die Gewaltausbrüche muss man in größerem Zusammenhang sehen“, sagt ein Computer-Gamer in einer Reportage auf Heise Online. Alles ganz richtig, aber die Argumente sind wörtlich die gleichen der amerikanischen Waffenlobby, wenn es dort einen Amoklauf gibt.

Terrorkampf am Brenner

Im Kampf gegen einen Terrorismus, der in Deutschland bisher noch nicht ein Todesopfer gefordert hat, wirft die Bundesregierung nun auch die letzten bürgerlichen Freiheitsrechte über Bord. Die Anti-Terror-Datei ist da. Aufs Stichwort meldet der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, zu Wort. Die Terrorgefahr sei schon wieder gestiegen, erfahren wir. Noch mehr gestiegen? Wieviel Steigerungen für das Innenministermantra von der Terrorismusbedrohung gibt es denn eigentlich? Die Anti-Terror-Einsätze in Afghanistan sind daran schuld, sagt der Verfassungsschutzpräsident. Wirklich? Warum kämpfen wir denn dann dort gegen den Terror, wenn dadurch die Terrorgefahr hier steigt? Na, dann ist unser Risiko also gestiegen. Wahrscheinlicher ist für uns nach wie vor der Tod durch Zigarettenrauch. Wo bleibt die Anti-Raucher-Datei? Noch mehr Menschen sterben im Straßenverkehr. Wo sind die KSK-Helden, wenn die Testosteron- und Benzin-Rambos mit Lichthupe über die Autobahn fegen, in ihrem VW Kamikaze (5-Liter-Motor, Breitreifen, Dolby-5.1-Surround-Anlage)? Wer schützt uns vor denen? Wie wäre es mit Alkohol- oder Nikotinentzug in Guantánamo?

Verfassungsschutzpräsident Fromm fährt keinen VW-Kamikaze, sondern allenfalls einen Phaeton. Aber, damit er den nebst Chauffeur behält, muss er immer neue Terror-Warnmeldungen absetzen, selbst wenn sich dabei herausstellt, dass die vermeintlichen Terroristen von ihrer Tat viel weniger wissen als der Verfassungsschutz. Ist ja kürzlich gerade erst passiert.

Der Einsatz des wackeren Verfassungsschutzpräsidenten könnte ein Beispiel für andere Behörden geben. Wenn das Bundesverteidigungsministerium dem bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber endlich bei seinem Kreuzzug gegen die Türkei sekundieren würde, bin ich ganz sicher, dass wir bald wieder über eigene Atomwaffen diskutieren, weil uns Gefahr droht vom Natoverbündeten Türkei, oder von Liechtenstein oder von Malaysia. Warum Liechtenstein oder Malaysia? Weiß ich doch nicht. Bin ich Verteidigungsminister? Seid kreativ, Leute. Positiver Nebeneffekt: Die Terrorgefahr würde im Inland weiter steigen, weil die Bundeswehr im Terrorkampf am Brenner steht. Liechtensteiner Selbstmordterroristen mit präparierten Geldkoffern? Wer weiß.

FAZ schreibt richtig

Die letzten Ortographie-Dissidenten geben das Falschschreiben auf. Wie der Deutschlandfunk gestern berichtete, will die Frankfurter Allgemeine Zeitung jetzt auch zur geltenden Rechtschreibung übergehen. Angeblich seien die gröbsten Fehler mittlerweile beseitigt. Vielleicht hat aber auch die zusätzliche Arbeitsbelastung der Redakteure durch das Umschreiben von zugelieferten Texten (Agenturen beispielsweise) etwas damit zu tun.

Mit der Ware allein

Gegen 19 Uhr legt sich der Einkäuferstrom auch im letzten Lidl-, Aldi- oder Nettomarkt der alten Residenzstadt Brandenburg an der Havel. Bis 20 Uhr sind die Kassiererinnen in der Überzahl. Ab dem 1. Dezember sind die Mitarbeitenden noch ein paar Stunden länger mit ihrer Ware allein: Das Land Brandenburg gibt die Ladenöffnungszeiten frei. Freude wird da maximal in den großen Einkaufszentren auf der grünen Wiese aufkommen, die ihre Kundschaft aus dem weiteren Umkreis rekrutieren.

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