Kategorie: Ansichtssache

Die Welt aus meiner Sicht

Tschernobiblis

Am Vorabend des Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, meldet Spiegel-Online Zwei Lecks in Biblis. Zwei Messleitungen im Reaktoroldie sollen leck gegangen sein. Ein Sicherheitsrisiko sei das aber nicht, und Radioaktivität sei auch nicht ausgetreten, meldet das hessische Umweltministerium. Warum beruhigen diese Worte eigentlich so wenig, wenn sie von einem CDU-Ministerium abgesondert werden?

Segen für das Kondom

Der Vatikan will HIV-Infizierten den Gebrauch von Kondomen gestatten. Das ist eine bahnbrechende Neuerung. Schließlich setzte noch Johannes Paul II. auf sexuelle Enthaltsamkeit zum Schutz vor Aids. Nun heißt es, der Vatikan arbeite an einem Papier zu diesem brisanten Thema. Die gläubigen Katholiken unter den HIV-Infizierten werden sich dennoch gedulden müssen: Um anzuerkennen, dass die Erde rund sei, hat der Heilige Stuhl runde fünf Jahrhunderte gebraucht.

Nie wieder Denton, Texas

Woher sollte ein Musiker wie Salim Nourallah kommen? Algerien? Falsch! Aus Alton im US-Bundesstaat Illinois, und dumme Sprüche über seinen Namen konnte er schon in der Schule nicht leiden. Damals in den frühen Siebzigern, in El Paso und in Denton, Texas, das er gehasst hat. Aber immerhin ist Salim damals zur Musik gekommen. Country? Wieder falsch! Salim Nourallahs musikalische Heimat ist Liverpool. Die Beatles haben den texanischen Jungen tief geprägt. Wer’s nicht glaubt, höre Nourallahs gerade erschienenes wunderschönes Album „Beautiful Noise“. „The Appartment“, der fünfte Song des Albums könnte durchaus eine John Lennon-Komposition sein, die aus Platzgründen nicht mehr auf das Weiße Album der Beatles gepasst hat. Spätestens an dieser Stelle wundern wir uns nicht mehr, wenn wir auf seiner Internetseite (www.salimnourallah.com) erfahren, dass eben dieses Weiße Album, die Lieblingsplatte des texanischen Songwriters ist. Aber auch andere Einflüsse kann er nicht verleugnen. Mindestens genauso viel steckt von den Smiths und The Cure („No Guarantee“, „All Waste The Days“) in „Beautiful Noise“. Und dann dieses vermaledeite Denton, Texas! Salim Nourallah hasst es nach eigenem Bekunden bis heute. Aber ausgerechnet in Songs wie dem als Single ausgekoppelten „The World Is Full Of People Who Want To Hurt You“ klingt genug amerikanische Weite durch, um den Song in die Schublade New Country einzusortieren. Im Songwriting hält „Beautiful Noise“ stets Weltklasseniveau, auch wenn das Mellotron manchmal ein wenig nervt. Wenn Sie mit Salim Nourallah in Urlaub fahren, werden Sie am Flughafen vorbeifahren, nur um die CD nicht abstellen zu müssen.

Flausen unter dem Goldhelm

Der Glaube soll es richten. Das meint Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Sie will mit den Kirchen einen Weg finden, Erziehung wieder stärker an christlichen Werten zu orientieren. Aber an welchen? Aufklärung und Verhütung verboten? Großartig! Millionen von Jugendlichen werden an den Klapperstorch glauben und sich mit Aids infizieren, weil Kardinal Lehmann die Kondomautomaten abhängen lässt. Wir dürfen gespannt sein, was unter dem gestrengen Haarkleid der früh vergreisten Ministerin noch alles gedeiht. Wenn es der Mutti der Nation in den Kram passt, lernen wir auch wieder, dass Gott die Welt in sieben Tagen erschaffen hat. Für religiös-fundamentalistische Äußerungen wie die unserer Familienministerin wäre der iranische Präsident Ahmadinedschad vor den UNO-Sicherheitsrat zitiert worden.

bin.laden@home

Außerirdische und Terroristen haben eine Menge gemeinsam: Viele Menschen glauben, welche gesehen zu haben, aber wie genau ein Alien/Terrorist genau auszusehen hat, darüber streiten die Gemüter. Vielleicht liegt es daran, dass die Suche nach beiden Spezies so schwer ist. Die stärkste Waffe der Aliensucher: das Hubble Weltraumteleskop. Problem: Die Leistung der besten NASA-Computer reicht nicht aus, um alle Daten zu verarbeiten. Helfen soll Seti@Home. ungezählte Computerneutzer stellen Rechenleistung zur Verfügung, um im All nach den Spuren von E.T. zu suchen, und haben dabei 2,3 Millionen Jahre Rechenzeit gespendet.

Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus könnte ähnliche Maßnahmen erfordern. Vor allem dann, wenn die europaweite Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten für 24 Monate kommt. Die österreichischen Mobilfunkunternehmen sammeln täglich zwischen 60 und 100 Millionen Datensätze. Von der harmlosen SMS – „Schatzl, geh‘ I‘ komm heut‘ später“ – bis zu infamen Terrorvorhaben – „Hallo Achmed! Steig isch heute mit Atombombe in Rrrriesenrrrad in Prrraterrrr“. Das sind pro Jahr 36,5 Milliarden Datensätze. Und das in Österreich, wo es in guten Wintern mehr Touristen als Einheimische gibt.

Allein Deutschland hat aber schon zehnmal mehr Teenies, die Klingeltöne downloaden! Alle 400 Millionen EU-Bürger könnten demzufolge das 50fache verklingeln, -smsen und -surfen! Wir sprechen von 1,825 Billionen Datensätzen. In zwei Jahren dürften zwischen 3 und 4 Billionen Datensätze zusammenkommen. Das sind 30 bis 40 mal mehr Datensätze als es Galaxien im Universum gibt.

Wie könnte das neue Projekt heißen, das diese gewaltigen Datenmengen abarbeitet? Bin Laden@Home? Eine heimelige Vorstellung: Während der Junior illegal Filme aus dem Netz lädt oder Papa Zehn-Sekunden-Pornos genießt, geht der Intel Dual Core Prozessor klammheimlich alle SMS durch, die der Nachbar in den vergangenen zwei Jahren geschrieben hat.

Noch etwas haben Alien- und Terroristenjäger gemeinsam: Sie wissen nicht wirklich, was genau sie eigentlich suchen sollen. 2,3 Millionen Jahre Rechenzeit hören sich gut an, lieber Verfassungsschutz, aber gefunden hat Seti@Home noch nicht einen Außerirdischen. Und Ihr fangt gerade erst an!

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