Schlagwort: Politik

Japanische Visionen

Großer Wurf beim G8-Gipfel in Toyako (Japan): Auch US-Präsident George W. Bush will jetzt das Klima retten. Bis 2050 wollen die G8 die Treibhausgasemissionen halbieren. Noch nicht applaudieren, liebe Umweltschützer! Auf Zwischenschritte hat man sich nicht verpflichtend geeinigt. Von einer „gemeinsamen Vision“ ist die Rede.

Fragen wir die Wikipedia, reicht die Bedeutung des Begriffs Vision von etwas Religiösem (kann ja wohl nicht sein) bis zur Zukunft. Die passendste Definition in der Wikipedia: Die Vision (frz. Traum) bezeichnet eine Vorstellung, Phantasie, Traum oder Idealbild bezüglich eines Zustandes in unbestimmter Zukunft. Da hört sich „Vision“ schon nicht mehr ganz so verbindlich an, oder? Also: Wenn es denn bis 2050 nichts geworden ist, mit den Klimaschutzzielen, wenn New York und Amsterdam abgesoffen, wenn die Lüneburger Heide in der Wikipedia unter „Wüste“ erscheint, dann kann die Vision der acht Staatschefs nur in einem Sinn gemeint gewesen sein: Im Sinne einer Halluzination.

Etwas anderes geht fast unter: Es sieht ganz danach aus, dass die G8 schon bald um einige Mitglieder wachsen wird. Das wird auch Zeit, dass sich der elitäre Zirkel der abgehalfterten Kolonialmächte um ein paar auch im weltwirtschaftlichen Maßstab große Nationen ergänzt, wie China oder Indien.

Der Ossi und die Demokratie

Gott hasst denkende Menschen. Wie könnte er sonst Anne Will erlauben. Die ARD-Sonntagabendtalkerin widmete sich gestern dem Phänomen Demokratieverdruss. Hintergrund: Eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hat ergeben, dass die Demokratie in Deutschland an Rückhalt verliert.

In der Bearbeitung des Phänomens folgt Frau Will dem bewährten Muster: Um den Arbeitsaufwand in der Vorbereitung gering zu halten, verengt sie das Problem auf einen Teilaspekt: Im Osten genießt unsere Demokratie noch weniger Zustimmung als im Westen. Weiterlesen

Verteufelte Heimatpartei

Jede Wahrheit braucht einen Mutigen, der sie ausspricht. Der Mutige ist SPD-Vorstandsmitglied Hermann Scheer. Die Wahrheit verkündete er jüngst im Stern: Die SPD muss ihre Pauschalabgrenzung gegenüber der Linkspartei endlich aufgeben, fordert der Parteilinke. Das wird tatsächllich allerhöchste Eisenbahn. Warum sollen sich ausgerechnet die Sozialdemokraten in Hessen besonders deutlich von den linken abgrenzen, wo die Partei doch überhaupt keine SED-Vergangenheit besitzt. Weiterlesen

Hungriger Magen wählt nicht gern

In den Zeiten von Hartz IV, von steigender Inflation und sinkenden Reallöhnen sinkt auch die Zustimmung zur Demokratie. Erstaunlich, was die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung an Weisheiten zutage fördert. Hätten sie mich gefragt, ich habe das im Geschichtsunterricht in der Schule gelernt. Studienleiter Frank Karl soll es als „bedenklich“ bezeichnet haben, „wenn der persönliche Wohlstand das Urteil über die Staatsform bestimmt“. Ökonomische Krisenzeiten seien somit auch Krisenzeiten fürs demokratische System.

Bitte schön, in welchem Wolkenkuckucksheim lebt dieser Mensch eigentlich? Zu jeder Zeit und an jedem Ort hing jedes politische System immer von gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen ab. „Blut, Schweiß und Tränen“-Zeiten übersteht die Demokratie nur kurz. Aber schauen wir uns doch die Republik an: In den vergangenen 20 Jahren haben wir Reform auf Reform erlebt, immer mit dem Versprechen, dass es irgendwann besser wird. Die Friedrich-Ebert-Stiftung kritisiert, dass das Wort Reform zum Synonym für den Griff in die Tasche des kleinen Mannes geworden ist. Erstaunlich. Das hat OskarLafontaine schon kritisiert als er 1998 sein Amt als Finanzminister in der ersten Regierung Gerhard Schröder antrat.

In denselben 20 Jahren sind übrigens die Gehälter der DAX-Vorstände um 650 Prozent gewachsen. Und die Friedrich-Ebert-Stiftung wundert sich, dass nur 22 Prozent der Bundesbürger diese Gesellschaftsordnung für verteidigenswert halten. Mich wundert, dass sie so viele zusammen bekommen haben. In Brandenburg können sie nicht gefragt haben. Und damit sind wir beim Sonderspezialproblemsorgenfall: Natürlich wieder die Ossis. Eine Mehrheit von ihnen stehe der Demokratie kritisch gegenüber.

Welch bahnbrechende Erkenntnis! Hier ist Wilder Osten, hier gibt es keine Betriebsräte, weder Mindest- noch Tariflohn. Hier arbeiten Menschen für 5 Euro die Stunde. Alles natürlich nur, damit neue Arbeitsplätze entstehen, vielleicht welche für 4 Euro. Wie wäre es, liebe Friedrich-Ebert-Stiftung: Kommt doch in zwei Jahren nochmal vorbei und fragt nochmal, wenn die Löhne flächendeckend bei 3,50 Euro die Stunde angekommen sind. Vielleicht hat sich die Einstellung zur Demokratie dann ja verbessert.

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